Stadtentwicklung im Spannungsfeld zwischen Planung, Verwaltung ...

Italien, Japan oder auch Russland festzustellen, dass der Urbanisierungsprozess seinen Höhepunkt überschritten
hat und sich räumliche und soziale Polarisierungsprozesse innerhalb von Städten und Regionen abspielen. In
vielen Städten finden Schrumpfungsprozesse neben Wachstumsprozessen statt, wie z.B. in Nordamerika, was
jedoch nicht mit geringeren Problemen verbunden ist und zu einer völlig veränderten Stadtphysiognomie führt.
In dem Initiativprojekt „Schrumpfende Städte“ der Kulturstiftung des Bundes wurde am Beispiel von vier
Stadtregionen – Halle/Leipzig, Manchester/Liverpool, Detroit und Ivanovo die Ursachen, Wirkungen und kultu-
rellen Perspektiven Schrumpfender Städte untersucht und die unterschiedlichen Transformationsprozesse welt-
weit dargestellt. 252
Die Deindustrialisierung ist dabei ein Faktor, der besonders in den ehemals prosperierenden Industriestädten zu
einem Circulus vitiosus des kumulativen Niedergangs geworden ist. Dieses Phänomen ist besonders dramatisch
in Großbritannien zu verzeichnen, wo zwischen 1980 und 2000 in den 20 größten Städten über 500.000 Arbeits-
plätze verloren gingen. Munck 253 beschreibt die Chancen des Schrumpfungsprozesses, die in Liverpool für eine
in Teilen der Stadt zukunftsfähigen postindustrialisierten Stadtgestalt genutzt wurde. Er beklagt aber auch
gleichzeitig, dass Liverpool immer noch eine „von tiefer Not, Armut und Demoralisierung gekennzeichnete
Stadt“ ist, in der die wirtschaftliche Expansion der Bevölkerungsmehrheit nicht zu gute kommt. Hier hat auf
Kosten der Mehrheit kurzfristiges Spekulationswachstum einen gewissen Wohlstand erzeugt. Um dies zu ändern
fordert er, die lokale Bevölkerung in den Stadterneuerungsprozess einzubinden und von einer konkurrierenden
zu einer kooperierenden Regionalstrategie zu kommen.
Im Rahmen des ExWoSt-Forschungsfeldes Stadtumbau-West wurden ebenfalls die Erfahrungen europäischer
Städte mit Schrumpfungsprozessen untersucht und hinsichtlich möglicher Anregungen für die konkrete Stadt-
umbaupraxis in Deutschland ausgewertet. 254 Es wurden Fallstudien aus Großbritannien, Dänemark, Schweden,
Italien, Spanien und Frankreich bearbeitet, wobei die ausgewählten Städte entsprechend der deutschen Modell-
städte die Strukturkrisen im Bergbau, der Stahlindustrie, der Werftenindustrie sowie der Textil- und Schuhin-
dustrie wiederspiegeln. Die Beispiele zeigen, dass einigen europäischen Vergleichsstädten die Transformation
einer Industriestadt zu einer Stadt mit postindustriellen Stadtqualitäten zu gelingen scheint. Die Begleitforschung
des ExWoSt-Forschungsprojektes, die Forum GmbH, Oldenburg hat aus diesen Erfahrungen folgende Anregun-
gen für die deutsche Stadtumbau-Praxis herausgearbeitet:
„Phase 1:
Realistische Positionsbestimmung und Formulierung einer städtebaulichen Vision
Der Niedergang der Monoindustrie einer Stadt verläuft meist über einen langen Zeitraum, in dem zunächst die
Strategien der Revitalisierung oder Diversifizierung der Monostruktur im Mittelpunkt kommunalen Handelns
stehen. Sehr viel erfolgreicher erscheint hingegen, den Bewältigungsprozess mit einer realistischen und scho-
nungslosen Bestandsaufnahme der Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt zu beginnen und diesen im günstigsten
Fall in eine Vision postindustrieller Stadtstruktur münden lassen zu können.
252
P.Oswalt (Hrsg.), Schrumpfende Städte, Band 1: Internationale Untersuchung, Einleitung Philip Oswalt, Ostfildern 2004,
S. 12-12
253
Ronaldo Munck, Deindustrialisierung: Großbritannien, in: P. Oswalt (Hrsg.), Schrumpfende Städte, a.a.O., S. 50-57
254
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR (Hrsg.), Stadtumbau in europäischen Städten mit Strukturkrise, Werk-
statt: Praxis Heft 37, Bonn 2005
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