Stadtentwicklung im Spannungsfeld zwischen Planung, Verwaltung ...

Die Arbeitshilfe bietet zudem ein detaillierte Beschreibung der Instrumente. Es werden die Merkmale, die
Anwendung, die Teilnehmer, der Aufwand, die Dauer, die und Kosten Anwendungsbeispiele aufgelistet. 526
6.11.5 Partizipation am Beispiel Völklingen 527
Um die heutigen Gesellschaft in Völklingen und deren Verhalten im Partizipationsprozess verstehen zu können
muss man sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen (vgl. hierzu Kapitel 2). Völklingen ist eine Stadt, die
während der Industrialisierungsphase ab 1870 von knapp 4000-5000 Einwohnern innerhalb weniger Jahrzehnte
ihre Bevölkerungszahl verzehnfacht hat. Sie weist damit andere soziale Strukturen und gesellschaftliche Ver-
flechtungen auf, als eine Stadt, deren Entwicklung und Wachstum über Jahrhunderte hinweg kontinuierlich
stattgefunden hat. Es war in Völklingen ungleich schwieriger, ein stabiles Gesellschaftsgefüge mit einer enga-
gierten und verantwortungsbewussten Bürgerschaft zu bilden als in vergleichsweise langsam gewachsenen
Stadtstrukturen. Hinzu kommt, dass die gesellschaftliche Elite sich im wesentlichen nicht aus den Völklinger
Einwohnern gebildet hat, sondern im Zuge des industriellen Wachstums aus Preußen rekrutiert wurde. Diese
Familien, waren oft auch anderen Glaubens, nämlich im Gegensatz zu der katholischen Landbevölkerung gehör-
ten sie eher der protestantischen Kirche an. Die Arbeiterschaft setzte sich aus der saarländischen Landbevölke-
rung zusammen, während die Führungskräfte aus Preußen kamen. Diese beiden Faktoren führten dazu, dass nur
ein geringer gesellschaftlicher Zusammenhalt über Gesellschaftsschichten hinweg entstehen konnte.
Die Vorrangstellung der Montanindustrie in Völklingen hatte auch im Bewusstsein der Bevölkerung ihren
Niederschlag gefunden. Die im Vordergrund des Handelns stehenden industriellen und arbeitsplatzsichernde
Interessen haben die Forderungen zur Erhaltung, Wahrung und Entwicklung der Völklinger Stadtstruktur in den
Hintergrund gedrängt und die Stadtentwicklung ständig mit dem Postulat „Industrie vor Stadt“ konfrontiert.
Diese mit Priorität behandelten industriellen Interessen und ihre existenzsichernde Funktion, die seit 1890
durchlaufene politische Entwicklung und die unmittelbare Nähe zur Landeshauptstadt haben im Bewusstsein der
Bevölkerung eine nur unzureichende Identifizierung mit Raum und Stadt als Lebensraum ergeben. 528
Diese ohnehin sehr schwach ausgeprägte Basis bürgerschaftlichen Engagements hat durch den rasanten Struk-
turwandel seit den 1980er Jahren noch weiter an Substanz verloren. Denn die Lebenswelt vieler Menschen in
Völklingen hat in den letzten 25 Jahren durch den anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Strukturwandel drama-
tische Veränderungen erfahren.
Es trifft dabei zum einen durch die hohen Arbeitsplatzverluste die persönliche Situation der Arbeitnehmer und
ihrer Familien, zum anderen aber auch die Situation der Stadt Völklingen in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher
und städtebaulicher Hinsicht. Von der einst reichsten Stadt im Südwesten Deutschlands ist Völklingen zum
Bittsteller geworden, so dass die Stimmung sowohl in der Bevölkerung wie auch im Gemeinwesen Stadt als
525
BBR, Effizientere Stadtentwicklung durch Kooperation, a.a.O.
526
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, FIRU, 3stadt2.de, Online-Arbeitshilfe für kooperativen Städtebau,
http://www.3stadt2.de , Zugriff; 16.11.05, 13:10
527
Dieses Kapitel basiert auf dem Vortrag „ Stadtumbau und Partizipation“ gehalten am 12.04.2005 beim Institut für Städtebau,
Berlin
528
Stadt Völklingen, Stadtbau- und Planungsamt, Stadtgestalt und Denkmalschutz im Städtebau, Völklingen 1978
In dieser Dokumentation wurde die Stadtsanierung in den 1970’er Jahren beschrieben, unter Einbeziehung der damals
angelegten Akten, Presseberichte und Gutachten, die im Anhang mit Aktenzeichen und Datum aufgeführt sind.
223