DIFFERENTIALGEOMETRIE I–II - Homeweb2.unifr.ch
DIFFERENTIALGEOMETRIE I–II - Homeweb2.unifr.ch
DIFFERENTIALGEOMETRIE I–II - Homeweb2.unifr.ch
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
12. Die Krümmungen einer Flä<strong>ch</strong>e<br />
Die Weingartenabbildung L p einer orientierten Flä<strong>ch</strong>e M ⊆ R 3 ist, wie wir aus<br />
Abs<strong>ch</strong>nitt 11.5 wissen, eine selbstadjungierte lineare Abbildung des Tangentialraumes<br />
T p M in si<strong>ch</strong>. Sie ist daher reell diagonalisierbar. Ihre Eigenwerte nennt<br />
man die Hauptkrümmungen von M im Punkt p. Sie lassen si<strong>ch</strong> als Krümmungen<br />
von S<strong>ch</strong>nittkurven gewisser Ebenen mit der Flä<strong>ch</strong>e deuten. Aus den beiden Hauptkrümmungen<br />
bildet man zwei weitere Krümmungsgrößen, die Gaußkrümmung und<br />
die mittlere Krümmung von M, auf deren geometris<strong>ch</strong>e Bedeutung wir eingehen.<br />
Es stellt si<strong>ch</strong> heraus, dass die Gaußkrümmung, obwohl zunä<strong>ch</strong>st mit Hilfe der Weingartenabbildung,<br />
also des Normalenvektors von M, definiert, dur<strong>ch</strong> die erste Fundamentalform<br />
allein bestimmt ist. Sie gehört also zur inneren Geometrie von M.<br />
Diese Entdeckung, das “Theorema egregium” von Gauß, war der Ausgangspunkt<br />
der Krümmungstheorie Riemanns<strong>ch</strong>er Räume.<br />
Im Folgenden ist M ⊆ R 3 eine orientierte Flä<strong>ch</strong>e und n ihre Gaußabbildung.<br />
12.1. Krümmung von Flä<strong>ch</strong>enkurven. Sei I ⊆ R n ein Intervall, und sei<br />
c ∈ C 2 (I, M) eine na<strong>ch</strong> der Bogenlänge parametrisierte Kurve in M. Wir fassen c als<br />
Kurve im R 3 auf und betra<strong>ch</strong>ten ihre Ableitungen, den Tangentenvektor c ′ = dc/ds<br />
und den “Bes<strong>ch</strong>leunigungsvektor” c ′′ = d 2 c/ds 2 . Diesen Vektor c ′′ spalten wir auf<br />
in die zu M normale und die an M tangentielle Komponente. Sei dazu u := n × c ′ .<br />
Da c na<strong>ch</strong> der Bogenlänge parametrisiert, also 〈c ′ , c ′ 〉 = 1 ist, gilt 〈c ′′ , c ′ 〉 = 0. Daher<br />
ist die an M tangentielle Komponente von c ′′ von ein Vielfa<strong>ch</strong>es von u, also<br />
c ′′ (s) = κ n (s) n(c(s)) + κ g (s) u(s) (12.1.1)<br />
mit gewissen Funktionen κ n und κ g . Die Funktion κ n heißt die Normalkrümmung,<br />
κ g die geodätis<strong>ch</strong>e Krümmung der Kurve c.<br />
Multiplikation von Glei<strong>ch</strong>ung (12.1.1) mit der Flä<strong>ch</strong>ennormalen n ergibt 〈c ′′ , n〉 =<br />
κ n . Mit der Krümmung κ := ‖c ′′ ‖ ergibt si<strong>ch</strong> daraus<br />
κ n = κ cos ̸ (c ′′ , n). (12.1.2)<br />
Beispiel. Sei E eine Ebene dur<strong>ch</strong> den Punkt p ∈ M, wel<strong>ch</strong>en die zu M senkre<strong>ch</strong>te<br />
Ri<strong>ch</strong>tung enthält. Die S<strong>ch</strong>nitte E ∩ M sol<strong>ch</strong>er Ebenen mit der Flä<strong>ch</strong>e bezei<strong>ch</strong>net<br />
man als deren Normals<strong>ch</strong>nitte im Punkt p. Wie wählen eine Parametrisierung des<br />
Normals<strong>ch</strong>nittes na<strong>ch</strong> der Bogenlänge, also eine Kurve c ∈ C 2 (I, M) mit c(0) = p,<br />
‖c ′ ‖ = 1 und mit c(I) ⊆ E ∩ M. Da c in der Ebene E liegt, ist c ′′ = ± n ◦ c und<br />
κ n = ± κ. Die Normalkrümmung eines Normals<strong>ch</strong>nittes im Punkt p stimmt also<br />
bis auf das Vorzei<strong>ch</strong>en mit seiner Krümmung als Raumkurve überein. Dabei gilt<br />
Version: 18. Februar 2000<br />
108