DIFFERENTIALGEOMETRIE I–II - Homeweb2.unifr.ch
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18. Erste Variation der Bogenlänge<br />
Die Geodätis<strong>ch</strong>en einer Riemanns<strong>ch</strong>en Mannigfaltigkeit M, also die Geodätsi<strong>ch</strong>en<br />
des Levi–Civita–Zusammenhanges der Metrik, sind ni<strong>ch</strong>t nur Kurven vers<strong>ch</strong>windender<br />
kovarianter Bes<strong>ch</strong>leunigung, also in diesem Sinne “geradeste Linien”. Sie lassen<br />
si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>arakterisieren, dass sie unter gewissen Eins<strong>ch</strong>ränkungen die<br />
kürzesten Kurven sind, die ihre Endpunkte verbinden. Dass dabei Eins<strong>ch</strong>ränkungen<br />
erforderli<strong>ch</strong> sind, zeigt s<strong>ch</strong>on das Beispiel der Großkreise auf der Standardsphäre im<br />
R 3 : Abs<strong>ch</strong>nitte eines Großkreises, die länger als ein Halbäquator sind, liefern offenbar<br />
ni<strong>ch</strong>t die kürzeste Verbindung ihrer Endpunkte. In die genaue Formulierung<br />
(Satz 2 in 18.4) geht der Injektivitätsradius inj(p) ein, den wir bereits in Abs<strong>ch</strong>nitt<br />
17.7 eingeführt haben. Dabei wird—über das sogenannte Gauß–Lemma—die erste<br />
Variationsformel verwendet, die, grob gespro<strong>ch</strong>en, bes<strong>ch</strong>reibt, wie si<strong>ch</strong> die Länge<br />
einer Kurve bei kleinen Deformationen in erster Ordnung ändert.<br />
In diesem Kapitel ist (M, g) eine n–dimensionale Riemanns<strong>ch</strong>e Mannigfaltigkeit.<br />
Wir betra<strong>ch</strong>ten Geodätis<strong>ch</strong>e und die Exponentialabbildung exp ihres Levi–Civita–<br />
Zusammenhanges ∇. Mit d bezei<strong>ch</strong>nen wir die dur<strong>ch</strong> die Riemanns<strong>ch</strong>e Metrik induzierte<br />
Abstandsfunktion (10.4.2). Eine differenzierbare Kurve c : [a, b] → M heißt<br />
proportional zur Bogenlänge parametrisiert, wenn ‖ċ‖ konstant ist. Da der Zusammenhang<br />
∇ mit der Riemanns<strong>ch</strong>en Metrik g verträgli<strong>ch</strong> ist, ist das insbesondere für<br />
die Geodätis<strong>ch</strong>en c(t) = exp(tX) der Fall, und für deren Länge gilt<br />
L(c) =<br />
∫ b<br />
a<br />
‖ċ(t)‖ dt =<br />
∫ b<br />
a<br />
∥ P<br />
c<br />
t,0 ċ(0) ∥ dt = ‖X‖ (b − a).<br />
18.1. Erste Variationsformel. Sei c : [a, b] → M eine differenzierbare Kurve.<br />
Eine Variation von c ist eine differenzierbare Abbildung<br />
H : (−ε, ε) × [a, b] → M<br />
mit H(0, t) = c(t) für alle t ∈ [a, b]. Wie in Abs<strong>ch</strong>nitt 16.3 bezei<strong>ch</strong>nen wir mit<br />
∂H/∂s(s, t) ∈ T H(s,t) M den Tangentialvektor der Kurve s ↦→ H(s, t), und definieren<br />
∂H/∂t entspre<strong>ch</strong>end. Dann sind ∂H/∂s und ∂H/∂t Vektorfelder längs der Abbildung<br />
H. Das Vektorfeld V (t) = ∂H/∂s(0, t) längs c nennt man das Variationsvektorfeld<br />
von H.<br />
Lemma. Es gilt<br />
∇ ∂H<br />
∂s ∂t = ∇ ∂H<br />
∂t ∂s . (18.1.1)<br />
Version 30. Mai 2000<br />
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