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Organisationsgebundene pädagogische Professionalität - Budrich

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Theoretisches Konstrukt<br />

von der Annahme aus, dass sich Subjekten strukturell ein optionaler Spielraum<br />

praktischer Handlungen eröffnet, dass aus diesen Möglichkeiten eine<br />

Auswahl getroffen werden muss und dass dazu nur zu einem Teil bewährte<br />

Routinen angewendet werden können, denn Lebenspraxis ist grundsätzlich<br />

zukunftsoffen (Oevermann 1996:77). In besonderen Fällen ergeben sich eine<br />

offene Krisensituation, in der bewährte Entscheidungsregeln nicht mehr greifen,<br />

aber eine Entscheidung getroffen werden muss, auch wenn sie im Moment<br />

nicht begründbar, sondern ihre Begründung nur retrospektiv eingelöst<br />

werden kann.<br />

Indem sich Lebenspraxis dieser Bewährungsdynamik stellt, überführt sie ihr strukturell<br />

grundsätzlich gegebenes Autonomiepotential und das damit formulierte Autonomieproblem<br />

in eine lebenspraktisch mehr oder weniger gut gelungene bzw. manifest realisierte<br />

faktische Autonomie (ebd.:78).<br />

Gesellschaftliche Vorsorge reagiert auf das Problem, dass in modernen Gesellschaften<br />

eine autonome Lebenspraxis ungewiss ist, und institutionalisiert<br />

eine „prophylaktische“ Vorsorge in Form von Schulbildung und Berufsbildung.<br />

Gesellschaftliche Vorsorge reagiert auch dann, wenn eine autonome<br />

Lebenspraxis faktisch manifest nicht realisiert werden kann. Unter diesen<br />

beiden Gesichtspunkten konstituiert sich das professionalisierte Handeln,<br />

denn für den Fall der Beschädigung leiblicher und psychosozialer Integrität<br />

hält professionalisierte Praxis eine „Krisenlösung“ bereit. Professionalisierte<br />

Praxis hat die Funktion, die selbstverständliche Geltung von Normalitätsentwürfen<br />

der Praxis wiederherzustellen (bzw. in der Schulbildung prophylaktisch<br />

zu ermöglichen).<br />

Die besondere Strukturlogik professionalisierten Handelns wurzelt darin,<br />

dass sich im Prozess zunehmender Rationalisierung von Lebenspraxis eine<br />

Wissensbearbeitung und Wissensverwaltung spezialisiert und ausdifferenziert,<br />

die Krisenkonstellationen rekonstruiert und Krisenlösungen methodisch<br />

kontrolliert generiert. Solche kollektiven Innovationen ermöglichen eine gesteigerte<br />

erfahrungswissenschaftlich fundierte <strong>pädagogische</strong> Praxis zur Wiederherstellung<br />

autonomer Lebenspraxis (Oevermann 1996:92). Es entwickelt<br />

sich damit auch eine von der „Praxis-Verantwortung entfernende“ und sich<br />

„geistig-intellektuell verselbständigende Bearbeitung von Geltungsansprüchen<br />

und von normativen deskriptiv-analytischen Problemlösungsmustern<br />

der Praxis“ (Oevermann 1996:84), die idealtypisch an einer erkenntniskritischen<br />

Überprüfung von Geltungsansprüchen orientiert sei. Der idealtypische<br />

Habitus professionalisierter Praxis zeige sich deshalb auch darin, sich kritisch<br />

zu den tatsächlichen Verhältnissen der jeweiligen konkreten Praxis ins Verhältnis<br />

zu setzen und praxisüberschreitende konkurrierende Gesichtspunkte<br />

gedankenexperimentell in Beziehung zu setzen (ebd.:87). Professionalisierte<br />

Handlungspraxis unterstellt grundsätzlich, dass die erfahrungswissenschaftlich<br />

erzeugten Erkenntnisse zu Krisenkonstellationen und Krisenlösungen<br />

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