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Organisationsgebundene pädagogische Professionalität - Budrich

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Theoretisches Konstrukt<br />

nicht die Funktion der autonomen Lebenspraxis übernehmen können. Der<br />

Entscheidungs- bzw. Handlungszwang und auch das Risiko der Handlung<br />

liegen in der Lebenspraxis selbst. Folglich ist die Vermittlung des theoretischen<br />

Wissens zu Krisenkonstellationen und zu Problemlösungsmustern nur<br />

als eine praktische Operation denkbar (ebd.:79). Klientenbezogene Praxisformen<br />

sind der gesellschaftlich-lebenspraktische Ort, in der die Vermittlung<br />

von Theorie und Praxis als praktische Operation vollzogen wird. Darin wurzelt<br />

die besondere Dialektik professionalisierten Handelns.<br />

Diese Dialektik ist zugleich die Basis der Professionalisierungstheorie, weil professionalisiertes<br />

Handeln wesentlich in der Vermittlung von Theorie und Praxis und in der Respektierung<br />

und Wiederherstellung einer beschädigten Autonomie im Namen von Wissenschaft<br />

der Art besteht, dass dabei die Autonomie durch eine bevormundende Wissenschaftspraxis<br />

nicht auf der anderen Seite Schaden leidet. Damit haben wir eine erste Bestimmung professionalisierten<br />

Handelns zur Hand. Professionalisiertes Handeln ist wesentlich der gesellschaftliche<br />

Ort der Vermittlung von Theorie und Praxis unter Bedingungen der verwissenschaftlichten<br />

Rationalität 56 , das heißt unter Bedingungen der wissenschaftlich zu<br />

begründenden Problemlösung in der Praxis (Oevermann 1996:80).<br />

Deutlich wird, dass das Konstrukt der professionalisierten Praxis ein herausforderndes,<br />

spannungsreiches Ideal, eine Maxime für die Angehörigen <strong>pädagogische</strong>r<br />

Berufe formuliert. Anhand von drei Grundmustern soll dies weiter<br />

dargelegt werden.<br />

2.1.1 Gesteigerter Begründungszwang und gesteigerter<br />

Entscheidungszwang<br />

Klientenbezogene Praxisformen sind ihrerseits gesellschaftlich-lebenspraktische<br />

Orte: Es müssen ständig praktische Entscheidungen getroffen<br />

werden. Es gibt aber wesentliche Unterschiede zur Lebenspraxis des Alltags:<br />

In einer professionalisierten Praxis ist der Entscheidungszwang „gesteigert“.<br />

Es müssen Entscheidungen stellvertretend für eine beschädigte Lebenspraxis,<br />

die sich der Behandlung anvertraut, übernommen werden. Gleichzeitig ist der<br />

Begründungszwang gesteigert, da diese stellvertretende Deutung des existenziellen<br />

Problems eines Klienten in einer professionalisierten Praxis nur in<br />

56 Die wissenstheoretischen Annahmen, die Oevermann 1996 vertrat, präzisierte er in einer<br />

Veröffentlichung aus dem Jahr 2008. Er argumentiert, dass die Professionalisierungstheorie<br />

implizit auch eine Wissenstheorie sei. Professionen wenden Wissen interventionspraktisch<br />

und nicht ingenieurial an. Die interventionspraktische Wissensanwendung setzt aber<br />

standardisiertes, wissenschaftlich bewährtes und methodisiertes Wissen voraus (Oevermann<br />

2008:58). Wissen ist hierbei kein subjektiv zuschreibbarer mentaler Zustand (ebd.:59).<br />

Wissen wird stattdessen im Rückgriff auf die Sprechakttheorie als Ensemble<br />

propositionaler Gehalte aufgefasst, die in Sprechakte des Behauptens eingebettet sind. Die<br />

standardisierten Gehalte des Wissens beruhen auf Routine (Oevermann 2008:61).<br />

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