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Organisationsgebundene pädagogische Professionalität - Budrich

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Theoretisches Konstrukt<br />

Betrachtet man Organisationen als Vollzugswirklichkeit, so ist der Blick auf<br />

die Prozesse des Organisierens zu richten. In den Prozessen – d. h. in den Kommunikationen<br />

und interdependenten Handlungen, die beispielsweise im Zusammenhang<br />

von Angebotsentwicklung, Anmeldung, Beratung, Fortbildung und<br />

Controlling erfolgen –, wird eine Bildungsorganisation erzeugt, bestätigt und<br />

weiterentwickelt. Dies geschieht, indem die Akteure und Akteurinnen performativ<br />

eine bestimmte Realitätsauffassung von der Situation, in der sie handeln, „in<br />

Kraft setzen“. Das wird von Weick als enactment bezeichnet: das Inkraftsetzen<br />

einer Realitätsauffassung durch Handeln. Die Bildungsorganisation wird dadurch<br />

zu einer sozialen Tatsache, dass sie fortwährend in den Interaktionen, den Kommunikationen<br />

und interdependenten Handlungen performativ vollzogen wird. 156<br />

Akteure, Akteurinnen setzen im enactment eine Realitätsauffassung von der Situation<br />

in Kraft, in der sie handeln. Retrospektiv deuten sie die Situationen, in denen<br />

sie sich selbst und ihre Herstellungen befunden haben. Weick beobachtet in<br />

Situationen der Mehrdeutigkeit, die danach verlangen, Mehrdeutigkeit zu reduzieren,<br />

dass beispielsweise bei Managern die Unterstellung einer geordneten und<br />

sinnvollen Umwelt dazu führt, dass sie diese Ordnungsvorstellungen in ihren<br />

Sprechakten bzw. Handlungen geltend machen und dann retrospektiv die Ordnungshaftigkeit<br />

der Umwelt entdecken. „Die Unterstellung von Eindeutigkeit<br />

gibt Managern die Gelegenheit, das zu tun, was die Umwelt in etwas verwandelt,<br />

was eindeutig ist“ (Weick 1985:231). Leute setzen aktiv Dinge in die Welt, die<br />

sie dann wahrnehmen und worüber sie anschließend sprechen können. „Diese<br />

ursprüngliche Setzung von Realität ist das, was durch das Wort Enactment festgehalten<br />

wird“ (ebd.:238).<br />

Ortmann schlägt eine institutionstheoretische Lesart des enactment-<br />

Selektion-Retention-Prozesses vor. Im enactment kommt aus seiner Sicht die<br />

Etablierung einer Geltung zum Ausdruck, die der Kern aller Institutionalisierung<br />

ist (Ortmann 2004:26ff im Rückgriff auf Searle). Der Geltungsglaube sichert die<br />

Wirklichkeitsauffassung ab, die performativ zur Geltung gebracht wird. Minimale<br />

institutionelle Strukturen bestehen aus konstitutiven Regeln des Typs „X zählt<br />

als Y im Kontext K“ und aus regulativen Regeln des Typs „Wenn X, dann Y“<br />

(ebd.). Das Gespräch in einem Englisch-Konversationskurs gilt für die Beteiligten<br />

als Lernen, während sie das Gespräch am Abend in einem Café für eine Freizeitaktivität<br />

halten. Im Kontext einer Prüfung zählt das Gespräch über einen Gegenstand<br />

als Nachweis der Hochschulreife. Wenn man anschließend das Papier<br />

des Zeugnisses im Kontext der Universität vorlegt, ist man zu einem wissenschaftlichen<br />

Studium berechtigt.<br />

Aus Sicht von Ortmann ist ein enactment eine performative Festlegung, die<br />

dem Muster der minimalen institutionellen Struktur folgt. Im Strom des Erlebens<br />

wird ein Indikator eingeklammert, und es wird ihm eine bestimmte Geltung ge-<br />

156 Das Vokabular der Ethnomethodologie hat für diesen Aspekt das Verb to accomplish und<br />

den Begriff accomplishment gewählt.<br />

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