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Organisationsgebundene pädagogische Professionalität - Budrich

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Theoretisches Konstrukt<br />

dann der Fall, wenn frühere Erfahrungen von sich aus keine Sinngebung bereithalten.<br />

Enactment<br />

Das enactment ist eine Antwort auf die Anforderung einer Situation, mehrdeutige<br />

Vorlagen auf ein bearbeitbares Maß zu reduzieren. Ungewöhnliche<br />

Ereignisse werden aus dem Strom des Erlebens für eine nähere Betrachtung<br />

ausgesondert. Diesen Akt der Selektion eines Individuums in Bezug auf seine<br />

Umwelt nennt Weick ‚Einklammern’. 150 Einklammern ist eine Form des<br />

150 Der Begriff des Einklammerns stammt ursprünglich von Edmund Husserl und ist ein<br />

Begriff im Kontext der phänomenologischen Erkenntnistheorie. Epoché meint den Akt des<br />

Einhaltens oder Innehaltens und die bewusste Ausschaltung von natürlichen, theoretischen<br />

oder tradierten Vorannahmen. Der Begriff des Einklammerns wurde später von Schütz in<br />

der Sozialtheorie der Lebenswelt aufgegriffen. Im Rückgriff auf Husserls Konzept des<br />

Erlebnisstroms argumentieren Schütz und Luckmann (2003:55), „dass die Wirklichkeitsordnungen<br />

nicht durch eine etwaige ontologische Struktur ihrer Objekte, sondern durch<br />

den Sinn unserer Erfahrung konstituiert werden“. Schütz und Luckmann unterscheiden<br />

folgende Sinngebiete: die alltägliche Lebenswelt, die Traumwelt, die Welt der<br />

Wissenschaft und die Welt religiöser Erfahrung, deren Einheitlichkeit auf dem ihnen<br />

jeweils eigenen Erlebnis- und Erkenntnisstil beruht. Erfahrungen sind in Bezug auf den<br />

spezifischen Erlebnis- und Erkenntnisstil untereinander stimmig und miteinander<br />

verträglich (ebd.). Der Erlebnis- und Erkenntnisstil ist fundiert auf der spezifischen<br />

Spannung des Bewusstseins (ebd.:58). In den Handlungen und Akten ist die aktive<br />

Aufmerksamkeit auf die Ausführung der Vorhaben gerichtet. Diese Bewusstseinsspannung<br />

wird als ‚helle Wachheit’ bezeichnet. Charakteristisch für das Wirken im Alltag ist<br />

beispielsweise die Spontaneität des Handelns. Zum Erkenntnisstil gehört auch die<br />

phänomenologische Einklammerung der Hinnahme der Weltwirklichkeit; gleichwohl<br />

unterscheidet sich die Einklammerung in der natürlichen Einstellung des täglichen Lebens<br />

von der wissenschaftlich-methodologischen Einklammerung (ebd.:59). „In der natürlichen<br />

Einstellung suspendiert der Mensch allerdings nicht seinen Glauben an die Existenz der<br />

äußeren Welt und ihrer Objekte, sondern im Gegenteil, er suspendiert jeglichen Zweifel an<br />

ihrer Existenz. Was er einklammert, ist gerade der Zweifel, dass die Welt und ihre Objekte<br />

anders sein könnten, als sie ihm gerade erscheinen“ (ebd.:59). Weick argumentiert ähnlich:<br />

dass die Funktion der Einklammerung in der Reduzierung von Mehrdeutigkeit liegt. Weick<br />

bietet eine kognitions- oder wahrnehmungstheoretische Lesart des Vorgangs. Er<br />

argumentiert, dass Neissers Wahrnehmungszyklus (Neisser 1976) dem Akt des<br />

Einklammerns ziemlich ähnlich ist und enacted environment (etablierte Umwelten)<br />

demzufolge ein gewöhnlicher Vorgang menschlichen Handelns darstellen (Weick<br />

1985:223f). In Neissers Modell wählt das erkundende Handeln Wirklichkeit aus, wird der<br />

gewählte Ausschnitt als Information verfügbar gemacht. Damit werden kognitive Karten<br />

der Welt und ihrer Möglichkeiten modifiziert, was wiederum das Handeln modifiziert<br />

dirigiert. Allerdings muss man sich bei Organisationen vergegenwärtigen, dass diese<br />

Tätigkeit nicht in einem Kopf vorgeht, sondern auf viele Personen verteilt ist (ebd.). Weick<br />

nahm im Theoriefeld der kognitiven Organisationsforschung eine kritische Position ein<br />

(Wetzel 2001:166), er blieb dem kognitivistischen Denkansatz indes verhaftet. Das<br />

kognitivistische Vokabular der Organisationsforschung schlägt nämlich vor, sich<br />

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