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Organisationsgebundene pädagogische Professionalität - Budrich

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Fallstudie<br />

Die Beraterinnen des SOL-Projekts setzten aber etwas zwischen die konventionalisierten<br />

Erwartungen und Regeln der Professionalisierung und ihre<br />

Erfahrung. Ortmann findet für diesen Akt der Sinnverschiebung folgende<br />

Worte:<br />

Jenes „Zwischen“, jenes „in between“, jenes „twixt“, dem wir hier, Derrida folgend, unsere<br />

Aufmerksamkeit widmen sollten, meint: zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen<br />

Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Erfahrung und Erwartung, zwischen Erwartung<br />

und Erfüllung, zwischen Rolle und Spiel, zwischen Urbild und Kopie, und die reine Mitte,<br />

von der bei Mallarmé 183 die Rede ist, wäre die Schwebe 184 (Ortmann 2004:83).<br />

Die Berater/-innen ließen in ihrer Selbstbeschreibung der Praxis etwas in der<br />

Schwebe – nämlich das, was unter Professionalisierung genau zu verstehen<br />

ist. Die konventionellen Erwartungen waren für sie schon nicht mehr gültig,<br />

und eine neue Auffassung von <strong>Professionalität</strong>sentwicklung war für sie noch<br />

nicht explizit mit Begriffen zu fassen. Sie vermuteten, dass ihr eigenes Beratungsformat<br />

zusätzlich zum jeweiligen Thema der Entwicklungsaufgaben „E-<br />

Learning“ und „Wissensmanagement“ ein Modell sein kann für die professionelle<br />

Kompetenz der Fortbildungsleiter/-innen in den primären <strong>pädagogische</strong>n<br />

Handlungsfeldern. Sie trafen hierbei aber eine wichtige Unterscheidung:<br />

Die Wirksamkeit ihrer Beratung liege nicht allein auf der Ebene des<br />

individuellen Transfers von Methoden und Arbeitsstilen, sie werde auch als<br />

eine organisationale Veränderung der Lernkultur gedeutet.<br />

Weitere 18 Monate später wurde die wahrgenommene Differenz greifbarer,<br />

denn das Forschungsvorhaben dieser Studie gewichtete die Differenzerfahrung<br />

als eine Strukturvariante der <strong>Professionalität</strong>sentwicklung neben an-<br />

183 Ortmann bezieht sich auf das dissemination von Jaques Derrida (Wien 1995). Derrida hatte<br />

einem theatralischen Entwurf Stephane Mallarmés für das szenische Spiel einer Mime, in<br />

der kein Text und keine wirkliche Handlung, sondern nur die Idee vorgegeben wurde,<br />

besondere Beachtung geschenkt. Mallarmés Vorgehensweise und sein Text enthalten „die<br />

ganze Brisanz, die in der Différance – der aufschiebenden/verschiebenden/verändernden<br />

Bewegung – zwischen demütiger Verwahrung und überraschender Lesart der Regeln<br />

steckt“ (Ortmann 2004:82). Quadflieg erläutert in seinem Beitrag „Sprache und Diskurs –<br />

Von der Struktur zur différance“ den Begriff der différance: „Die zweite angesprochene<br />

Figur der Dekonstruktion, die différance, lässt sich ebenfalls vor dem Hintergrund von<br />

Saussures Differenz-These verstehen. Wenn es, wie Saussure sagt, in der Sprache ‚nur<br />

Verschiedenheiten ohne positive Einzelglieder’ gibt, dann ist die Differenz<br />

beziehungsweise das Different-Werden der eigentliche Ursprung aller Bedeutungen.<br />

Begriffe erhalten ihren Sinn in einem beweglichen und prinzipiell nicht abschließbaren<br />

Zusammenspiel der differentiellen Bestimmungen“ (Quadflieg 2008:104; Hervorh. i. O.).<br />

Für Derrida meint différance nicht einen Begriff, sondern die Möglichkeit von Begrifflichkeit,<br />

des Begriffsprozesses und des Begriffssystems überhaupt (ebd.).<br />

184 Die bewusste Suspendierung einer Bewertung oder Bedeutung in einem Dialog wird mit<br />

der Metapher „etwas in der Schwebe halten“ beschrieben (Beucke-Galm 2003). Die<br />

Berater/-innen orientierten sich in ihrer Lernbegleitungspraxis am Konzept des Dialogs in<br />

komplexen Organisationen, das eine bestimmte Lernpraxis beschreibt.<br />

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