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Organisationsgebundene pädagogische Professionalität - Budrich

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Fallstudie<br />

sonderen zu begreifen. Eine performative Sichtweise verwirft eine allgemeine und totale<br />

Methode und Lesart von Realität zugunsten einer relativierenden, den Kontexten angepassten<br />

Interpretation, die eine Pluralität von ideomatischen Gesten und kontextierenden Phänomenologien<br />

zeitigt (ebd.).<br />

2) Struktur versus Prozess<br />

Die Unterscheidung zwischen Struktur und Prozess ist insofern relevant, als<br />

dadurch der Gegenstand der Forschung different konstituiert wird. Fokussiert<br />

man auf die Re-Konstruktion fundierender sozialer Strukturen und entwickelt<br />

in einer komparativen Analyse eine Struktur-Typologie, verfestigt dies die<br />

Vorstellung von einer fundierenden Struktur. Fokussiert man hingegen auf<br />

den Prozessverlauf, so erzeugt dies eine Temporalisierung des Forschungsgegenstandes.<br />

Auch die rekonstruktive Sozialforschung denkt nicht statisch,<br />

sondern versucht, die ‚Strukturdynamik’ oder ‚Entwicklungstypik’ kollektiver<br />

Erfahrungsräume zu erkennen (Bohnsack 2007a:146f). Die eigentlich interessierende<br />

Struktur ist aus Sicht von Bohnsack die Prozessstruktur, die<br />

beispielsweise die Bedingungen der Konstitution, Reproduktion und Veränderung<br />

von biografischen Entwürfen erfasst (Bohnsack 2007:146). Der performative<br />

turn in der Erziehungswissenschaft vollzieht auch auf dieser Ebene<br />

eine weitere Blickverschiebung. Das Interesse ist nicht auf die allgemeine<br />

Entwicklungstypik, sondern auf die Geschichtlichkeit einzelner Verläufe gerichtet:<br />

darauf, wie eine bestimmte kommunikativ oder körperlich-mimetisch<br />

entstandene Wirklichkeit für die Entwicklung der Struktur konstitutiv wird.<br />

Wulf und Zirfas gehen davon aus, dass der Blickwinkel des Performativen<br />

neben einem anspruchsvolleren Begriff des <strong>pädagogische</strong>n Handelns auch<br />

eine komplexere Theorie der Bildung ermöglicht 199 (Wulf und Zirfas<br />

2007:17).<br />

So wird unter dem Begriff der Bildung in einer weitgehenden Bedeutung der Prozess und<br />

das Ergebnis einer Veränderung verstanden, die sowohl das Selbst- und Weltverhältnis des<br />

Menschen betrifft. Bildung bezeichnet somit die Verknüpfung von Kultur und Individualität,<br />

die es den Menschen möglich macht, dass sie an ihren Erziehungs- und Bildungsbedingungen,<br />

mithin an ihren Selbst- und Weltverhältnissen, selbst mitwirken, d. h. in der Lage<br />

sind sich selbst eine Form geben zu können (ebd.:11; Hervorh. i. O.).<br />

Auch in Bildungsorganisationen geht es um Selbstentwicklung. Für erziehungswissenschaftliches<br />

Denken ist es oft ungewöhnlich, Organisation als<br />

einen sozialen Mechanismus der Strukturierung eines sozialen Feldes, d. h. in<br />

der spezifischen Differenz zum Personensystem und zu Gruppen zu denken.<br />

199 Stengers Anliegen ist es beispielsweise, die Zeitlichkeit der Bildungsbewegung genauer zu<br />

verstehen, durch die Welt eröffnet und Subjektsein konstituiert wird. Sie beschreibt dazu<br />

die performative Wirklichkeit eines einzigen Ereignisses/Moments im Zusammenhang mit<br />

der Subjektentwicklung eines dreijährigen Jungen (Stenger 2008).<br />

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