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Organisationsgebundene pädagogische Professionalität - Budrich

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Fallstudie<br />

det – die weiteren fünf Varianten wurden von ihm gedankenexperimentell<br />

entworfen. Auf der Basis der Fallrekonstruktionen wird eine Schulkulturvariante<br />

erkennbar, die ein deutliches Professionalisierungspotenzial aufweist,<br />

und eine Variante, in der die Professionalisierungspotenziale der Lehrer und<br />

Lehrerinnen eindeutig ins Leere laufen. Beide Strukturvarianten stehen sich<br />

in einem Kontinuum von insgesamt sechs Zwischenvarianten gegenüber.<br />

Vor diesem Hintergrund kann eine erste Einordnung des SOL-Projekts<br />

erfolgen: Das IT-Zentrum entwickelte im SOL-Prozess eine Kultur mit einem<br />

hohen Potenzial für die <strong>Professionalität</strong>sentwicklung der Mitarbeitenden. Die<br />

Fallstudie organisationsgebundener <strong>Professionalität</strong> legt aber den Fokus der<br />

Interpretation auf den Prozess der performativen Bedeutungsbildung, d. h.<br />

auf den Wandel der symbolischen Ordnung des IT-Zentrums. Helsper unterstellt<br />

außerdem, dass Schulkulturen weder homogene noch statische, reproduktive<br />

Sinnordnungen sind, weil sie umfassenden und basalen soziokulturellen<br />

Wandlungsprozessen unterliegen (Helsper 2008:127). Seine Forschung<br />

orientiert sich jedoch an einer strukturalistischen Heuristik. Und so erwecken<br />

die Forschungsergebnisse den Eindruck, dass die Organisation Schule eine<br />

Schulkultur hat, weil sie eine von acht fundierenden Strukturvarianten ausprägt.<br />

Im Unterschied zu dieser strukturalistischen Perspektive auf Bildungsorganisation<br />

unterstellt die Sensemaking-Perspektive ein dynamisches Modell<br />

der Institutionalisierung in Mikrostrukturen (vgl. II 6.3) und geht davon<br />

aus, dass Organisation der soziale Prozess der Bedeutungsbildung in einer<br />

kollektiven Handlungsstruktur ist. So ist das besondere und den Gegenstand<br />

konstituierende Charakteristikum der Fallstudie die Zeitlichkeit des Falls:<br />

seine Entfaltung als Prozess. Erst wenn qualitative Forschung in eine Prozesslogik<br />

einsteigt, kann sie für Prozesse der Bedeutungsbildung wahrnehmungsfähig<br />

werden.<br />

Von der Antragstellung bis zum letzten Auswertungsgespräch vergingen<br />

vier Jahre und sechs Monate. 122 einzelne Beratungsaktivitäten der Lernbegleitung<br />

sind in einem Projekttagebuch dokumentiert (vgl. Kapitel V). Die<br />

Forscherin war in das SOL-Projekt als Handelnde involviert und erschloss<br />

Sinn- und Bedeutungsstrukturen zunächst aus der Binnenperspektive und Akteursposition<br />

der Lernbegleitung. Im Feld qualitativer Sozialforschung ist<br />

sich insbesondere die Ethnografie des Stellenwerts der Ko-Präsenz von Forschenden<br />

in Sinnbildungsprozessen des Feldes bewusst. Diese Synchronizität<br />

erlaubt es, Sinnbildungsprozesse zu begleiten, bevor diese in retrospektiven<br />

Erfahrungsberichten geschlossen werden (Amann und Hirschauer 1997:23).<br />

Die Forscherin nimmt also zunächst eine Binnenperspektive ein, die sie später<br />

für die Explikation der Sinnstrukturen produktiv macht.<br />

Und die erste Ratio der Kopräsenz besteht nicht darin, Rezipienten einer Studie eine den<br />

Teilnehmer-Schilderungen – etwa aus Interviews – überlegene ‚objektive’ Version zu bieten,<br />

sondern eher in der hermeneutischen Qualifikation, in Kenntnis von lokaler Praxis und<br />

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