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Organisationsgebundene pädagogische Professionalität - Budrich

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Fallstudie<br />

fende Durchführung der aufeinander abgestimmten Aktivitäten des täglichen<br />

Lebens erzeugt. Sozialforschung versteht sich als Beobachtung zweiter Ordnung<br />

und fragt deshalb: Wie werden solche gesellschaftlichen Tatsachen hergestellt<br />

– beispielsweise der Kriminelle und seine kriminelle Biografie von<br />

Polizeibeamten und Richtern (Bohnsack 2007a:58, 2007b:202)? Aus Sicht<br />

von Bohnsack hat die Ethnomethodologie einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung<br />

der methodologischen Probleme des „Subjektivismus“ geleistet,<br />

der Handlungen damit erklärte, dass sie sich an einem subjektiv gemeinten<br />

Sinn und einem subjektiven Entwurf orientieren (vgl. II 2.3).<br />

An die ethnomethodologische De-Konstruktion der kommunikativen<br />

Herstellung von Wirklichkeit konnten Ansätze des empirischen Konstruktivismus<br />

in der Devianz-, Gender- und Migrationsforschung anschließen<br />

(Bohnsack 2007b:203; Knorr-Cetina 1989). Allerdings ist aus Sicht von<br />

Bohnsack die Ethnomethodologie eine halbierte Wissenssoziologie geblieben,<br />

denn sie habe die Frage nicht beantworten können, wie ein Zugang zur<br />

Indexikalität der fremden milieuspezifischen Wirklichkeit gefunden werden<br />

kann (Bohnsack 2007a:59). Die Analyse der Performativität kommunikativen<br />

Handelns führt nämlich zu einer De-Konstruktion der Oberflächensemantik,<br />

eröffnet aber noch keinen Blick auf eine „tiefer gehende Semantik, auf eine<br />

Handlungspraxis unterhalb dieser Common-Sense-Theorien“ (Bohnsack<br />

2007b:203). Diese tieferliegende Ebene bezeichnet Bohnsack als Ebene des<br />

habituellen Handelns, die ihre eigene Performativität hat und die vom kommunikativen<br />

Handeln und dessen Performativität zu unterscheiden ist<br />

(Bohnsack 2007b:203). Bohnsack beschreibt im Rückgriff auf Karl Mannheims<br />

Wissenssoziologie die Struktur der habituellen Semantik. Da habituelles<br />

Handeln und seine performative Struktur (der Habitus) nicht Gegenstand<br />

von Common-Sense-Theorien sind, sind sie auch nicht der direkten Befragung<br />

zugänglich; gleichwohl sind sie nicht vollkommen unbewusst. Das habituelle<br />

Wissen bezeichnet Karl Mannheim als ‚atheoretisches Wissen’<br />

(Bohnsack 2008:203).<br />

Dieses Wissen wird einerseits im Medium der Sprache vermittelt, hier in Form von Erzählungen<br />

und Beschreibungen, d. h. in Form von Metaphern, von metaphorischen, also bildhaften<br />

Darstellungen sozialer Szenarien. Das atheoretische Wissen, das habitualisierte<br />

handlungsleitende Wissen, wird aber auch ganz wesentlich im Medium des Bildes selbst,<br />

im Medium der Ikonizität vermittelt (Bohnsack 2008:203f; Hervorh. i. O.).<br />

Das implizite, nichtdiskursivierte praktische Wissen wird in der auf Mannheims<br />

Wissenssoziologie zurückgehenden Methodologie als ein existenzgebundenes<br />

Wissen aufgefasst, da es in einem kollektiven Erlebniszusammenhang<br />

inkorporiert wird, den Mannheim als ‚konjunktiven Erfahrungsraum’<br />

bezeichnet (Bohnsack 2007a:59). Die Zugehörigen eines konjunktiven Erfahrungsraums<br />

können sich im Sinne eines „intuitiven Erfassens geistiger Gebilde“<br />

(Bohnsack 2007:61) verstehen, das an den geteilten Nachvollzug einer<br />

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