I. Literatur
I. Literatur
I. Literatur
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Das deutsche Volk ist in diesem Kriege nicht nur von der Übermacht seiner Feinde an Menschen und Material – es ist<br />
von ihnen auch moralisch überwältigt worden und dies vor allem. Es hat sich im Lauf dieser 4 ½ Jahre davon überzeugt,<br />
daß es für eine schlechte Sache oder vielmehr für gar keine Sache kämpfe, daß rückständige und rohe Gedanken es beherrschten,<br />
während auf Seiten seiner Gegner die Idee des Rechts, der menschliche Gedanke selber fechte. Hätte es sich<br />
nicht davon überzeugt, – kein Soldat und kein Politiker wird mir ausreden, daß es auch heute noch unbesiegt wäre. Es<br />
sah sich in die Hände von Feinden ergeben, an deren überlegener Sittlichkeit es endlich glaubte. Und nun sollte es glauben,<br />
der edelste dieser Feinde, der Lehrer der Menschheit, ihr Führer zur Demokratie, zur Tugend und zum Lichte, beabsichtige<br />
im Ernst, sich zum Sklavenhalter zu erniedrigen? ...<br />
Es ist tölpelhaft, von einem Scherzwort gallischer Kaustik viel Wesens zu machen, und es zeugt zuletzt von häßlichem<br />
Unverständnis für die Größe des Augenblicks. Die Tugend siegte. Recht, Freiheit und Menschlichkeit treten die Herrschaft<br />
an, und die von beiden geläuterten Völker schließen den Liebesbund …“<br />
Am Schluß eine Anmerkung eines Redakteurs: „…Diese ironische Art der Behandlung ist überaus fein und<br />
gefällt mir persönlich sehr. Eine andere Frage ist aber, ob dem europäischen Durchschnittsleser, für den diese<br />
Sachen bestimmt sind, soviel Verständnis zugemutet werden kann…“. Der Text wurde in der Abendausgabe<br />
der Frankfurter Zeitung und Handelsblatt am 4. Februar 1919 publiziert.<br />
Der Brief ist repertoriert in: Regesten und Register. Band I: Die Briefe von 1889-1933, Nr. 19/9, S. 259. Frankfurt<br />
1976.<br />
„immerhin einige Beziehungen“<br />
326 MANN, THOMAS, 1875-1955. L.A.S. München 4.II.1922. 1 2/3 S. gr.-8°. Mit gedrucktem Briefkopf.<br />
(CHF 2’800.00)<br />
(An Max Liebermann), den er bittet, die Titel-Illustration zu seinem „Felix Krull“ zu übernehmen.<br />
„... ich hatte niemals die Ehre, Ihnen bekannt zu werden, doch sind da immerhin einige Beziehungen familiärer Art, die<br />
es vielleicht weniger dreist erscheinen lassen, daß ich mich mit Folgendem an Sie wende.<br />
Der Wiener Rikola-Verlag beabsichtigt, ein Roman-Fragment von mir, ‘Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull’ als<br />
Luxusdruck herauszubringen und hat Ihnen den Wunsch vorgetragen, Sie möchten den Band mit einer Titel-Radierung<br />
schmücken. Der Verlag hält es für nützlich, daß ich sein Gesuch bei Ihnen unterstütze ... und so bitte ich Sie denn, Ihnen<br />
mit herzlichem Nachdruck sagen zu dürfen, daß es mir eine große Ehre und Freude wäre, eines meiner Bücher von Ihrer<br />
Kunst, die ich von jung auf bewunderte, verschönt zu sehen ...“<br />
Der in diesem Jahr erscheinende „Felix Krull“ wurde schließlich von Oskar Laske illustriert; Liebermann<br />
schuf drei Jahre später das Portrait zu Manns erster Werkausgabe.<br />
„Dürer, Goethe, Schopenhauer, Nietzsche, Wagner ... alles auf einmal da“<br />
327* MANN, THOMAS, 1875-1955. Eigenhändiges, vollständiges Manuskript, am Kopf bezeichnet<br />
„Dürer“. [1928]. 4 Einzelblätter folio, jeweils die Vorderseite beschrieben. Mit zahlreichen Streichungen<br />
und Varianten. Von fremder Hand foliiert und mit redaktionellen Anmerkungen mit Bleiund<br />
Rotstift versehen. Winzige Stockfleckchen. Kleine Randschäden (ohne Textverlust).<br />
(CHF 30’000.00)<br />
Druckvorlage des großen Essays über Dürer und Nietzsche, zuerst gedruckt am 18.VI.1928 in den „Hamburger<br />
Nachrichten“, anläßlich des 400. Todestages Dürers. Er beginnt:<br />
„Dürer kann ich nicht denken, ohne daß ein anderer näherer Name sich zugesellt: Nietzsches reiner und heiliger Name,<br />
in welchem Geschichte und Zukunft, auf eine Weise sich verbinden, daß, ihn anzurufen, tiefstes Erinnern und höchstes<br />
Hoffen auf einmal bedeutet. Durch das Medium Nietzsches habe ich Dürers Welt zuerst erlebt, geahnt, geschaut, mit dem<br />
Gefühl begriffen, wie ja die Jugend, zur Historie unlustig von Natur, des Altertümlichen kaum anders Gewahr wird, als<br />
durch das Moderne, das es nicht lehrt, aber durchscheinend dafür ist. Kommt des Nürnbergers Name bei Nietzsche vor?<br />
Ich wüßte nicht. Wenn er aber etwa von Schopenhauer spricht und seiner Autorität, die Wagners femininem Künstlertum<br />
asketischen Ideal überhaupt erst Mut gemacht habe, – wenn er sagt: ‚Was bedeutet es, wenn ein wirklicher Philosoph<br />
dem asketischen Ideale huldigt, ein wirklich auf sich gestellter Geist wie Schopenhauer, ein Mann und Ritter mit<br />
erzenem Blick, der den Mut zu sich selber hat, der allein zu stehen meint und nicht erst auf Vordermänner und höhere<br />
Winke wartet?’ – an was denkt er, oder, wenn er nicht daran denkt, was meint er bei dieser eigentümlich genauen und<br />
ausführlichen Beschreibung sittlicher Unmittelbarkeit und Männlichkeit? Ginge man fehl, wenn man an den Rand die-<br />
159