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I. Literatur

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Auch eine Novelle Fontanes wollte Heyse in seine Mustersammlung aufnehmen, Fontane schlägt seine ‚Grete<br />

Minde’ (1879) vor: „Und nun noch ‚welche Novelle?’ Ich denke mir Grete Minde, doch ist mir auch jede andre Wahl<br />

recht. Daß das eigne Dispositionsrecht, für Fälle die doch wenigstens mal kommen könnten, nicht tangirt wird, nehm’<br />

ich an. Meine so sehr kl: Erfolge sind Ursach, daß ich von all solchen Dingen nichts weiß; in Coursfragen sind nur die<br />

bewandert, die Werthpapiere haben. Was soll mir dergleichen?“<br />

Im Weiteren beklagt Fontane die Indifferenz der aktuellen <strong>Literatur</strong>kritik, dies in Bezug auf eine Besprechung<br />

von Heyses eben erschienen Novellenband ‚Buch der Freundschaft’: „In der letzten Nummer des ‚Magazins’ war<br />

eine Besprechung deines ‚Buches der Freundschaft’ von Hans Wachenhusen. Ich hatte dabei so ziemlich denselben Eindruck<br />

wie bei der Besprechung in der ‚Gegenwart’. Unsrer modernen Kritik ist ganz das Unterscheidungsvermögen für<br />

die verschiedenen Stände verloren gegangen. Egaltité, fraternité! ‚Frère Cochon’ pflegte mein alter Fournier, der berühmte<br />

Ohrfeigen-Fournier zu sagen. Ob du schreibst, oder Hans Wachenhusen, oder Mützelburg oder der sel. Goedsche (Sir<br />

John Radcliffe) macht gar keinen Unterschied. Jedem wird ungefähr dasselbe Maaß von Lob und Tadel zugemessen. Die<br />

Verrohung macht Riesenfortschritte. Dieser traurige Zustand ist natürlich durch vieles bedingt, am meisten aber vielleicht<br />

dadurch, daß sich die sogenannten Gebildeten und am meisten die staatlich Officiösen aller Arten und Grade,<br />

grundsätzlich von diesen Dingen fern halten und dadurch selber in einen so niedrigen Zustand hineingerathen sind, daß<br />

mir das Urtheil einer kleinen niedlichen Nähmamsell immer noch lieber ist als das eines Geheimraths oder Unterstaatssekretairs.<br />

All diese quatschen nur noch und geben ihren Hochmuths-Unsinn für höhere Weisheit aus. In der Regel<br />

schließen sie dann mit einem Alltagscitat aus Horaz oder Dante, um zu zeigen wie hoch drüber sie stehn….“<br />

„Ludchen“ meint die Schriftstellerin Ludovica Hesekiel (1847-1889). Sie war die Tochter des Journalisten<br />

George Hesekiel, der mit Fontane befreundet und wie dieser an der Kreuz-Zeitung arbeitete und ‚Tunnel’-<br />

Mitglied war.<br />

„George“ ist Fontanes ältester Sohn.<br />

Der „Ohrfeigen-Fournier“ meint den Prediger der reformierten Gemeinde Berlins, Auguste Fournier, der eine<br />

Braut geohrfeigt hat; die Anekdote fand Eingang in Fontanes autobiographische Schrift ‚Von Zwanzig bis<br />

Dreissig’ (1898).<br />

Die am Schluß erwähnten Schriftsteller sind Hans Wachenhusen (1823-1898); Adolf Mützelburg (1831-1882);<br />

Sir John Retcliffe (eigentlich Herrmann Ottomar Friedrich Goedsche, 1815-1878).<br />

Gedruckt in: Drude, Otto, et al. (Hrsg.). Briefe. München, Hanser, 1976ff. Band III, Nr. 240, S. 252-254.<br />

Briefverzeichnis Nr. 83/52.

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