I. Literatur
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„so eine dunkle ungewisse Zeit hat<br />
die Welt noch nie erlebt“<br />
506 ZWEIG, STEFAN, 1881-<br />
1942. 7 Autographen: 4 L.A.S.,<br />
1 L.S. und 2 C.P.A.S. Zürich,<br />
Rüschlikon und o.O. 11.II.1918<br />
bis 20.VI.(1918) und o.D. 6 S.<br />
gr.-4° und die Karten. Gelocht,<br />
teilweise kleine Faltenrisse<br />
und etwas braunfleckig.<br />
(CHF 2’800.00)<br />
An Ludwig Bauer, einen Mitarbeiter<br />
der Basler „Nationalzeitung“.<br />
– Kurz nach der Veröffentlichung<br />
seines Antikriegsdramas<br />
„Jeremias“ hatte der Direktor des<br />
Zürcher Stadttheaters sich erboten,<br />
das Stück zur Uraufführung<br />
zu bringen und Zweig zu der Premiere<br />
eingeladen. Dieser erhielt<br />
vom Wiener Kriegsministerium<br />
offiziell die Erlaubnis zu einer<br />
„Vortragsreise“ in die Schweiz,<br />
wo er im November 1917 eintraf<br />
und bis Kriegsende blieb.<br />
Zürich 11.II.1918. „... Ihr Kommen<br />
wird mir gewiss eine grosse Freude<br />
sein und ich hoffe, die Aufführung<br />
eine ganz ausgezeichnete. Die Herren<br />
geben sich hier besondere Mühe<br />
und das Stück selbst freut sich der<br />
Freiheit des Worts, die ihm in<br />
Deutschland versagt geblieben<br />
wäre[.]<br />
Anbei das Buch! Ich bemerke, dass 3 Bilder ganz fortbleiben (III. Das Gerücht, V Die Prüfung, VII Die letzte Not) um<br />
den Abend bei den jetzigen Verhältnissen nicht zu verlängern: auch wird die innere biblische Weitschweifigkeit und die<br />
abschweifende Art mancher Scenen natürlich beseitigt. Das Stück war ... für eine Bearbeitung zur Bühne bestimmt und<br />
will mehr ein dramatisches Zeitgedicht sein als eine Bühnentragödie. Aber ich hoffe gerade durch das Rabiate meiner<br />
Kürzungen auf eine lebendige Wirkung …<br />
Sie fragen, weshalb ich mich noch nicht sehen liess? Ich war bisher noch nicht in Basel, sondern nur in Zürich, in der<br />
französischen Schweiz und im Engadin; dabei arbeite ich nach 3 Jahren Gefangenschaft mit solcher Freude am Freisein,<br />
dass selbst eine Tageszeitung mir schon ein schwerer Verlust erscheint ...“<br />
Rüschlikon (5.IV.1918). „... Ihre Sendung beschämt mich doppelt: ich hatte das Feuilleton in der Zeit gesehen und wollte<br />
Ihnen in Basel immer dafür danken. Aber ich bin von einer ganz merkwürdigen Unfähigkeit zur Herzlichkeit im<br />
gesprochenen Wort und – den ganzen Tag mit dem gewollten Wort im Munde – kam ich nicht dazu, so herzlich und dringend<br />
ich das Bedürfnis empfand. Aber ich hoffe das Leben, das wir Beide noch vor uns haben, gibt mir Gelegenheit, Ihnen<br />
meine Erkenntlichkeit zu erweisen ...“<br />
Rüschlikon 20.IV.1918. „... ich habe eben der Nationalzeitung die Adresse Romain Rollands geschrieben und mache ihn<br />
selbst auf Ihre Aufsätze aufmerksam. Wirklich, ich muss Ihnen gratulieren: ich habe jetzt in Bern gesehen, wie alles<br />
abends auf Ihr Wort wartet: ich kenne kaum einen ähnlichen publicistischen Erfolg ... Wenn Sie heute ... Ihre Aufsätze<br />
über Czernins Reden und Taten vereinigen, ... so würde diese Broschüre hier in tausenden Exemplaren verkauft werden.<br />
Schade dass ich nicht Verleger bin ...<br />
In Bern sah ich unzählige Leute, darunter auch Kommer ... Wir haben uns recht gut vertragen, obwohl er Alldeutscher<br />
ist und ich – wie man seit Norbert Jaques Denunziation endlich öffentlich weiss – Defaitist und Agent der amerikanischen<br />
Propaganda. Auch von Österreich hörte ich viel, was sich nicht schreiben lässt. Wirklich: so eine dunkle ungewisse<br />
Zeit hat die Welt noch niemals erlebt ...“