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I. Literatur

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Christian Morgenstern, Fritz Kayssler und Fritz Beblo hatten sich im Sommer 1889 auf dem Magdalenen-<br />

Gymnasium in Breslau kennengelernt. Ab Herbst 1889 besuchte Morgenstern auf Wunsch des Vaters eine Militär-Vorbildungsschule;<br />

zu Ostern 1890 gab Morgenstern diese auf und trat in das Gymnasium in Sorau (Niederlausitz)<br />

ein; damals gründete er mit Freunden die Zeitschrift ‚Deutscher Geist’.<br />

Gedruckt in: Christian Morgenstern Werke und Briefe, Kommentierte Ausgabe. Briefwechsel 1878-1903. Hrsg.<br />

von Katharina Breitner. Stuttgart 2005. Band VII, Nr. 61, S. 52-55.<br />

„Es ist das Motiv meines Lebens und ich werde daran zerbrechen“<br />

349 MORGENSTERN, CHRISTIAN, 1871-1914. L.A.S. (Berlin) 23.III.1895. 2 2/3 S. gr.-8°. Leicht gebräunt. Minimal<br />

fleckig. (CHF 2’400.00)<br />

170<br />

Sehr emotionaler Brief an einen alten Freund („Mein liebes Herz“), nach dem Zerwürfnis mit seinem Vater, dem<br />

Maler Carl Ernst Morgenstern. – Christian Morgenstern hatte sein Studium aus gesundheitlichen und finanziellen<br />

Gründen aufgegeben und war im Frühjahr nach Berlin gezogen, wo er eine Stelle an der Nationalgalerie<br />

antrat.<br />

„Eben komm’ ich heim von der Galerie um Dir zu sagen, dass mich heute endlich die Pieta überwältigt hat, so überwältigt<br />

wie nur etwas ganz Grosses es kann, wie die Neunte, wie Du, – –<br />

verzeih ich ward/werd eben gestört, ich weiss nicht ob ich jetzt weiter schreiben kann. Ich hatte Dir so Heiliges zu sagen,<br />

das ist nun alles profaniert. Lassen wirs. Vielleicht ein andermal.<br />

Weisst Du, dass Böcklin über diese Maria noch die lichten Engel hat malen können – das ist ein namenloser Sieg. Ich<br />

hätt’s nicht gekonnt, heute wenigstens nicht. Lieber, was hab’ ich in diesen Wochen jetzt durchgemacht. Und das Furchtbare<br />

ist: Nicht das Leiden, sondern oft gerade das Nicht-Leidenkönnen, das, was Du vielleicht Sicherheit, Ruhe nennst<br />

und ist – Flachheit. Siehst Du, wenn ich nicht so flach wäre, dann lebte ich längst nicht mehr weiter. Das klingt wie Unsinn,<br />

hat aber ’was Wahres in sich.<br />

Als Junge hab ich eine Zeitlang immer gebetet: Herrgott mach mich tiefer, tiefer! und ich könnt’ es heute noch, jede<br />

Sekunde, wenn ich wollte. Es ist das Motiv meines Lebens und ich werde daran zerbrechen. Ich genüge mir nicht, physisch<br />

u. psychisch nicht, und wenn ich mir genügte, dann würd’ mich ein klarer Moment erst recht vernichten.<br />

Wahnsinn.

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