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I. Literatur

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„Ich entschuldige mich für die egozentrischen Reminiszenzen“<br />

438 SPIEL, HILDE, österreichische Schriftstellerin und Journalistin, 1911-1990. Eigenhändiges Manuskript,<br />

am Kopf signiert und bezeichnet „Hilde Spiel: Nur noch selten ein Schauer“. O.O.u.D. [ca.<br />

1980]. 7 Einzelblätter folio, jeweils die Vorderseite beschrieben. Sechs der Blätter am Kopf verklebt<br />

(Teil eines Schreibblocks). (CHF 750.00)<br />

Der autobiographische Text, der ihr Leben anhand großer Theateraufführungen, der Begegnung mit Regisseuren<br />

und Schauspielern umreißt, beginnt:<br />

„Mehr als doppelt so lange wie es ‚Theater heute’ gibt, hat diese einstige Mitarbeiterin sich über Dinge, die auf oder in<br />

den Bühnenräumen stattfanden, kritisch geäussert. Das begann im Frühsommer 1933 mit einem Bericht über Erika<br />

Manns ‚Pfeffermühle’, bald nachdem das Kabarett aus München nach Zürich ausgewandert war.<br />

Allzu viel und allzu Bewegendes hatte hier, in den Wiener Zwanziger Jahren auf das theaterbesessene Kind eingewirkt<br />

… Alexander Moissis ‚Hamlet’ mit vierzehn bereits fünfmal gesehen, viermal dazu im ‚modernen Gewand’, das damals<br />

ein … Wagnis darstellte …<br />

‚Old Wives’ Talk’. Ich entschuldige mich für die egozentrischen Reminiszenzen. Vielleicht nicht ganz unwichtig als Begründung<br />

einiger Abgebrühtheit, mit der man in die Periode 1960-85 eintrat, von der hier die Rede sein soll. Denn um<br />

diese Zeit waren die Schauer schon selten geworden, eine déformation professionelle, eine Kluft zwischen der Veteranin<br />

u. den jungen Enthusiasten, die sich in die Theaterwelt warfen und alles neu, aufregend, und wunderbar empfinden<br />

konnten, was man selbst schon besser … gesehen hatte …“<br />

Hilde Spiel lebte in Wien, bis sie 1936 nach London emigrierte, wo sie 1941 die britische Staatsbürgerschaft annahm<br />

und bis 1963 mit kurzen Unterbrechungen lebte. 1946 kehrte sie als Korrespondentin im Auftrag der<br />

Zeitschrift ‚New Statesman’ nach Österreich zurück. Während eines weiteren, zweijährigen Aufenthalts in der<br />

amerikanischen Besatzungszone Berlins von 1946 bis 1948 begann ihre Karriere als Theaterkritikerin in der<br />

deutschsprachigen Presse.<br />

„Aeusserlich Weltmann, innerlich Waldmensch“<br />

439 SPITTELER, CARL, in Liestal geborener Schweizer Schriftsteller und Dichter, der erste und bisher einzige<br />

als Schweizer geborene Nobelpreisträger (1919), 1842-1924. L.A.S. Luzern 22.I.1909. 1 Doppelblatt<br />

8°, alle 4 Seiten beschrieben. Mit dem zugehörigen, ebenfalls eigenhändig beschriebenen Umschlag.<br />

(CHF 1’500.00)<br />

Inhaltsreicher Brief an den Schriftsteller und Oberlehrer Gerhard Heine in Bernburg, zuerst mit ausführlichen<br />

biographischen Angaben, dann über seinen Werdegang als Schriftsteller:<br />

„Innerer Lebenslauf<br />

Vor allem festzuhalten: Habe nie den gewöhnlichen literarischen Bildungsgang durchgemacht. Kenne die allerwenigsten<br />

Bücher der deutschen <strong>Literatur</strong>, nicht einmal Goethe und Schiller. Ich las einiges als 15jähriger, seither nur noch 2 oder<br />

3 Bücher von G. u. Sch.<br />

Mein inneres Leben seit dem 16ten Lebensjahr gewaltig stürmisch, äussere Einwirkungen ablehnend, innerlich und seitdem<br />

18ten Lebensjahr visionär, poetisch visionär. Siebzehn Jahre lang – wie bildgeschichtlich (visionär) gedichtet. Habe<br />

nicht bloß erst mit 35 Jahren mein erstes Buch geschrieben, sondern auch für mich nichts vorher niedergeschrieben, außer<br />

Notizen als Anhaltspunkte der visionären Bilder. Also ein Dichter der 17 Jahre lang die Feder nicht braucht und die Tinte<br />

nicht kennt und an die Sprache nicht denkt. Zur Erklärung, für Sie, ganz im Vertrauen, Verbot davon Gebrauch zu machen,<br />

allein zu Ihrem Verständnis meiner Dichterpersönlichkeit: Dionysos im III Kapitel des olymp. Frühlings ist Lebensgeschichte<br />

eine Episode meiner privaten Lebensgeschichte, manches buchstäblich geschehen, fast aber buchstäblich<br />

im ersten Theil des Dionysos und daß nicht auch die Sterbensgeschichte buchstäblich erlebt wurde, lag an einem Haar.<br />

Also jetzt kennen Sie mich und den Kern meiner Dichtung. Ich wiederhole: hüten Sie meine Dionysosgeheimniß, es leben<br />

keine 6 Menschen die es kennen. Warum ichs Ihnen mittheile weiß ich nicht. Summa Aeusserlich Weltmann, innerlich<br />

Waldmensch. Da Sie Kunstwerk kennen, kann Ihnen ‚Mein Schaffen und mein Werk’ nicht entgangen sein. Kennen Sies<br />

nicht, dann müssen Sie das lesen. Sei müssen ferner lesen, wenn Sie mich kennen wollen: die Musik mein Zuchtmeister<br />

kürzlich erst erschienen … Also kommen Sie einmal in Lucern auf Besuch im Sommer…“<br />

Mit seinem Versepos ‚Olympischer Frühling’, 1905 erschienen, hatte Spitteler einen ersten großen Erfolg, es<br />

trug ihm 15 Jahre danach den Nobelpreis ein.<br />

Beilage: ein weiteres, von Spitteler an Heine adressiertes Couvert (Poststempel: Luzern 6.XI.1907).<br />

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