I. Literatur
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Goethe auf dem Land<br />
129 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. L.A.S. „G“. Tennstedt 26.VIII.1816. 4 S. 4°. Mit eigenhändig<br />
adressiertem Umschlag. Leicht gebräunt. Kleiner Einriß in der Bugfalte. (CHF 18’000.00)<br />
Ein in behaglicher Ferienstimmung geschriebener inhaltsreicher Brief an seinen Kollegen, den weimarischen<br />
Staatsminister Christian Gottlob von Voigt („Des Herrn Geheimerath v. Voigt / Exzell[enz]“). Mit Erwähnung der<br />
Brüder Grimm – seiner „jungen deutsch gesinnten Freunde“ – und des Physikers Ernst Chladni, der ihn im Juli<br />
besucht hatte. Goethe weilte mit seinem Freund, dem Maler und Direktor der Weimarer Zeichenschule Heinrich<br />
Meyer, seit mehreren Wochen in dem thüringischen Badeort Tennstedt und genoß dort das Landleben.<br />
„... alle menschliche Mittheilung ist so ziemlich still um uns her, dagegen alles Thierische was sich auf Feldbau bezieht<br />
in steeter Bewegung sich ergeht, brüllt, bät, meckert und klappert. Wenn man aber auch bedenckt was die guten Bürger<br />
von Tennstedt um eine so große 9000 Acker enthaltene Flur zu begatten, geschäftig seyn müßen; so lobt man an ihnen<br />
die Sorgfalt für ihre Heerden im Ganzen und im einzelnen. Daß die verspätete Erndte hier jedermann in Verlegenheit<br />
sezt darf ich kaum erwähnen.“<br />
Im Folgenden über die Ursprungsidee der Monumenta Germaniae Historica, den auf Savigny und Stein zurückgehenden<br />
„Berliner Plan für Deutsche Geschichte“, dessen § 14 die altdeutsche <strong>Literatur</strong> behandelte.<br />
„Der umständliche Aufsatz die neue deutsche Societät für Geschichte betreffend hat mich viel unterhalten. Auch hier ist<br />
wunderbar zu sehen wie der patriotische Enthusiasmus über Zweck und Mittel verblendet: denn wie soll so etwas gethan<br />
werden? und wenn es gethan ist wem solls frommen? Doch sind dergleichen Anstöße und Anläße möglichst zu benutzen.<br />
Ich will meine jungen deutsch gesinnten Freunde, besonders über den § 14 befragen. Dieser scheint mir der schwächste,<br />
und man thut denn doch wohl daß man über das was die Zeit fordert nicht dunckel bleibt ...“ – Interessanterweise betrachtete<br />
Goethe das Vorhaben in seinen gleichzeitigen Briefen an Wilhelm Grimm – den er zur Mitarbeit aufforderte<br />
– und Sulpiz Boisserée wesentlich optimistischer als hier gegenüber dem skeptischen Voigt.<br />
„Wenn Chladni für ein mäßiges in<br />
Jena zu fixiren ist; so wird er immer<br />
wohlthätig wircken.“ (Chladni ging<br />
nicht nach Jena und übernahm<br />
auch später nie ein Amt.) „Er hat die<br />
Klanglehre und die Meteorsteine festgehalten<br />
und emsig durchgearbeitet,<br />
das ist immer ein gros Verdienst. Die<br />
Klangfiguren hat er jetzt auf einfachere<br />
Elemente zurückgeführt und dadurch<br />
der Naturlehre einen wahrhaften<br />
Dienst geleistet, indem dadurch<br />
analoge Erscheinungen andrer Regionen<br />
herangebracht und verglichen<br />
werden können. So ist seit einigen Jahren<br />
eine ganz ähnliche Erscheinung in<br />
der Farbenlehre entdeckt und sorgfältig<br />
bearbeitet worden.<br />
Möge das alte Interdickt uns von dem<br />
Egy[p]tischen Unsinn“ (eine Anspielung<br />
auf Lorenz Okens Zeitschrift<br />
„Isis“) „sträcklich befreyen! Diese und<br />
andere gute Nachrichten hoffe bald<br />
persönlich einzuholen. Denn Mittwoch<br />
den 11ten Sept. hoffe in Weimar<br />
einzutreffen. Gegenwärtiges bringt<br />
Hofr[ath] Meyer der mir diese vier<br />
Wochen gar freundlich beygestanden.<br />
Er wird von Tennstedt mancherley erzählen<br />
das Ew Ex[z]el[lenz] wohl Lust<br />
machen könnte einige Tage hier zu verweilen<br />
... Serenissimi glückliche Rückkehr<br />
soll auch mir ein Festtag seyn ...“<br />
Sophien-Ausgabe Band 27 Nr.<br />
7487, Tümmler Band IV, Nr. 264.<br />
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