I. Literatur
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Aus der Ode ‚An die Freude’<br />
411 SCHILLER, FRIEDRICH VON, 1759-1805. Eigenhändiges Gedichtmanuskript, mit Signaturklammer.<br />
[1785]. 1 Doppelblatt 4°, die ersten drei Seiten mit brauner Tinte beschrieben. Kräftiges,<br />
gelbliches Papier mit Wasserzeichen „IGH“, zweimal gefaltet. Mit einigen Wischspuren; etwas<br />
angestaubt, kurzer Randeinriss und winziges Loch im Falz, einige Braunflecken, das erste<br />
Blatt stärker fleckig. Montagespuren (Siegellack) auf der letzten Seite. Am Kopf der ersten und<br />
am Fuss der dritten Seite mit Bleistift von fremder Hand mit dem Dichternamen bezeichnet;<br />
zwei Zeilen in Bleistift auf der dritten Seite ausgewischt („sehr interessant wegen der Abweichungen“).<br />
(CHF 150’000.00)<br />
200<br />
Bisher gänzlich unbekannte Reinschrift, ohne jegliche Korrekturen, der letzten fünf Chorstrophen der<br />
Ode ‚An die Freude’, mit zahlreichen Abweichungen von der 1786 erstgedruckten Fassung:<br />
„Duldet mutig Millionen,<br />
duldet für die beßre Welt,<br />
droben überm Sternenzelt<br />
wird ein großer Gott belohnen.<br />
Jeder Schuldschein sei zernichtet<br />
ausgesöhnt die ganze Welt,<br />
Brüder überm Sternenzelt<br />
Richtet man, wie wir gerichtet.<br />
Dem der Sterne Wirbel loben<br />
den des Cherubs Ode preißt,<br />
dieses Glas dem guten Geist<br />
überm Sternenzelt dort oben.<br />
Schließt den heilgen Zirkel dichter,<br />
schwört bei diesem goldnen Wein,<br />
dem Gelübde treu zu seÿn,<br />
Schwört es bei dem Sternenrichter.<br />
Eine helle Abschiedsstunde!<br />
Süßen Schlaf im Leichentuch!<br />
Brüder, einen sanften Spruch<br />
aus des Sternenrichters Munde“<br />
Das vorliegende Manuskript umfaßt die letzten fünf von insgesamt neun Chorstrophen des in der Endfassung<br />
108 Verse zählenden Gedichts. Es liegen hier die fünf Strophen mit den Versen 57-60, 69-72, 81-84, 93-96 und<br />
105-108 vor. Das Manuskript weist erhebliche Abweichungen von der 1786 gedruckten Fassung auf. Die vorliegenden<br />
Strophen zeigen das Gedicht in seiner bis heute nicht bekannten ersten Fassung. Auffällig ist, wie<br />
frei und großzügig die Verse geschrieben sind. Möglicherweise war an das vorliegende Manuskriptblatt einst<br />
ein weiteres Blatt mit den ersten vier Chorstrophen angeheftet (daher die Lackspuren ?).<br />
Ein Grund für die Anfertigung der Abschrift mag sein, daß sich Körner unmittelbar nach der Entstehung des<br />
Gedichts an eine Vertonung machte. Schiller könnte die Chorstrophen und die Soli-Partien separat abgeschrieben<br />
haben im Hinblick auf eine Aufführung des Gedichts in der geselligen Runde um Körner. Vermutlich<br />
war das Manuskript, als Schiller das Gedicht 1786 erstmals in seiner „Thalia“ und gleichzeitig in Archenholtz’<br />
„Litteratur und Völkerkunde“ veröffentlichte, nicht mehr in Schillers Hand. Schiller pflegte die<br />
Manuskripte seiner Gedichte zu vernichten, wenn diese gedruckt waren. Wir vermuten, daß das Manuskript<br />
im Hause Körners verblieben war; wie lange, wissen wir nicht.<br />
Die erheblichen Abweichungen gegenüber den gedruckten Fassungen sind:<br />
Vers 69: „Jeder Schuldschein sei zernichtet“ wird zu ‚Unser Schuldbuch sei vernichtet’<br />
Vers 72: „Richtet man, wie wir gerichtet“ wird zu ‚Richtet Gott wie wir gerichtet’<br />
Vers 81: „Dem der Sterne Wirbel loben“ wird zu ‚Den der Sterne Wirbel loben’<br />
Vers 82: „den des Cherubs Ode preist“ wird zu ‚Den des Seraphs Hymne preist’<br />
Vers 105: „Eine helle Abschiedsstunde“ wird zu ‚Eine heitre Abschiedsstunde’<br />
Vers 108: „aus des Sternenrichters Munde“ wird zu ‚aus des Todtenrichters Munde’<br />
Weitere Abweichungen betreffen orthographische Abweichungen und die Interpunktion.<br />
Die Ode entstand im Sommer 1785 im geselligen Kreis um Christian Gottfried Körner in Gohlis, einem Dorf<br />
bei Leipzig. Es ist nicht erwiesen, daß Schiller das Gedicht auf Bitte Körners für dessen Dresdener Freimau-