23.01.2013 Aufrufe

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

Clancy, Tom - Jack Ryan 05 - Das Echo aller

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

3<br />

Ziviler Ungehorsam<br />

Dies war der Tag, sein Tag. Hauptmann Benjamin Zadin hatte bei der israelischen<br />

Staatspolizei rasch Karriere gemacht und war der jüngste Mann seines<br />

Ranges. Er war als einziger von den Brüdern noch am Leben und selbst Vater<br />

zweier Söhne, David und Mordecai, und hatte bis vor kurzem am Rande des<br />

Selbstmords gestanden. Erst vor zwei Monaten hatten ihn innerhalb von einer<br />

Woche zwei Schicksale ereilt: der Tod seiner Mutter und der Auszug seiner<br />

schönen, aber untreuen Frau. Fast über Nacht hatte sein so sorgfältig und<br />

erfolgreich geplantes Leben jeglichen Sinn verloren. Rang und Sold, der Respekt<br />

seiner Untergebenen, seine bewiesene Intelligenz und Umsicht in Krisenund<br />

Spannungssituationen, sein Erfolg als Soldat beim schwierigen und gefährlichen<br />

Streifendienst an der Grenze - alles das war nichts im Vergleich zu<br />

einem leeren Haus voller verrückter Erinnerungen.<br />

Israel gilt allgemein als "Judenstaat", aber das täuscht über die Tatsache<br />

hinweg, daß nur ein Bruchteil der Bevölkerung den jüdischen Glauben praktiziert.<br />

Benjamin Zadin hatte trotz der Ermahnungen seiner Mutter nie zu dieser<br />

Gruppe gehört, sondern den lockeren Lebensstil eines modernen Hedonisten<br />

geführt und seit seiner Bar-Mizwa, also seit er dreizehn war, keine Synagoge<br />

mehr von innen gesehen. Gezwungenermaßen sprach und schrieb er Hebräisch,<br />

immerhin die Landessprache, aber die Überlieferungen und Vorschriften<br />

seiner Kultur waren ihm ein merkwürdiger Anachronismus, etwas Rückständiges,<br />

das so gar nicht in das ansonsten modernste Land des Nahen Ostens<br />

passen wollte.<br />

Seine Frau hatte ihn in dieser Auffassung noch bestärkt. Der religiöse Eifer<br />

Israels, hatte er oft gescherzt, lasse sich an der Knappheit der Bikinis an den<br />

vielen Stranden messen. Seine Frau Elin, eine große, schlanke Blondine, war<br />

aus Norwegen gekommen, sah, wie sie oft privat witzelten, so jüdisch aus wie<br />

Eva Braun und stellte noch immer gerne ihre Figur zur Schau, manchmal sogar<br />

ohne Oberteil. Ihr Eheleben war leidenschaftlich und stürmisch gewesen.<br />

Natürlich hatte er immer gewußt, daß sie gerne einen Blick auf andere Männer<br />

warf, und auch er war gelegentlich fremdgegangen, aber er war völlig überrascht<br />

gewesen, als sie ihn verließ und zu einem anderen zog. Ihre plötzliche<br />

Entscheidung machte ihn so benommen, daß er weder weinen noch flehen<br />

konnte und einfach allein in einem Haus mit mehreren geladenen Waffen blieb,<br />

mit denen er seinem Leiden rasch ein Ende hätte setzen können. Nur seine<br />

Söhne hatten ihn von diesem Schritt abgehalten; sie konnte er nicht so einfach<br />

im Stich lassen, wie es mit ihm passiert war. Der Schmerz aber bohrte weiter.<br />

In einem kleinen Land wie Israel bleibt nichts geheim. Es wurde sofort<br />

49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!