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Etymologie 127<br />
in Kombination mit licet gibt es aber in der Antike nicht, was die Etymologie unwahrscheinlich<br />
macht. Cupaiuolo (1967, 111 ff.) erklärt ilicet aus dem Imperativ i von ire mit<br />
licet, und sci(re)licet und vide(re)licet aus einer falschen Analyse von i(re)licet. Magni<br />
(im Erscheinen) erklärt die etymologische Entwicklung auf ähnliche Weise: Ilicet kommt<br />
ihr zufolge von i licet, wonach scilicet und videlicet in Analogie zu diesem Wort gebildet<br />
seien. 9 Wenn ein AcI auf scilicet oder videlicet folge (siehe Phase 2b unten), sei dieser<br />
nicht von dem eingebauten Infinitiven scire bzw. videre abhängig; man solle an eine ähnliche<br />
Konstruktion wie fortasse mit AcI (Beispiel 1) denken (vgl. für fortasse mit AcI<br />
TLL V1, 1140, 83 ff.). Diese Konstruktion von AcI nach fortasse, die fast nur bei Plautus<br />
und Terenz vorkommt, ist aber nicht eindeutig geklärt, da auch die Etymologie von<br />
fortasse nicht ganz klar ist (Lindsay, 1907, 81; TLL ib.). Wahrscheinlich spielt aber auch<br />
hier die Etymologie mit, 10 es sind also nicht einfach Konstruktionen von einem Satzadverb<br />
mit einem AcI, wie Magni zu meinen scheint.<br />
1. PLAVT. Merc. 782-3 fortasse te illum mirari coquom, quod venit atque<br />
haec attulit.<br />
Vielleicht wunderst du dich über diesen Koch, dass er kommt und diese<br />
Sachen mitbringt.<br />
Wie auch immer die Entwicklung genau verlaufen ist, eine Form des Verbs ire,<br />
videre bzw. scire hat sich zu ilicet „man darf/ kann gehen‟ (TLL VII 1, 328, 55 sqq.), 11<br />
videlicet „man darf/ kann/ soll sehen‟ und scilicet „man darf/ kann/ soll wissen‟ entwickelt.<br />
Licet drückt darin wahrscheinlich Möglichkeit aus, oder schwach deontische Modalität.<br />
12 Diese Entwicklung hat schon vor dem uns überlieferten Latein stattgefunden, aber<br />
synchronisch sieht man noch verschiedene Phasen der vermutlichen Entwicklung von<br />
scilicet und videlicet nebeneinander existieren:<br />
1) eine Form von scire und eine Form von licet werden in der Bedeutung „man kann wissen‟,<br />
oder „darf man wissen?‟ kombiniert (Beispiel 2 und 3), wie auch eine Form von<br />
videre mit einer Form von licet: sowohl in der Bedeutung von videre „sehen‟ mit den Augen<br />
(Beispiel 4) als auch geistig (Beispiel 5). Es kann mit einer zusätzlichen Konstruktion<br />
verbunden sein (Beispiel 5, mit AcI). Eine evidentielle Bedeutung gibt es meistens (noch)<br />
nicht deutlich, außer vielleicht im letzten Beispiel mit AcI (vgl. aber Phase 4). Anders als<br />
bei scilicet oder videlicet kann bei scire/ videre licet das Subjekt des Wissens (Beispiel 3<br />
mihi) oder die Quelle (Beispiel 2 ex te) ausgedrückt werden.<br />
9 Sie sieht die Analogie in der ironischen Bedeutung dieser Wörter: “it is possible that, … a locution<br />
modeled on „go, you may‟ was used to convey a sort of solemn and ironic permission to realize<br />
what is by no means evident.” Allerdings ist die ironische Bedeutung von scilicet und videlicet<br />
m. E. nicht die primäre (siehe §12.3.8.2).<br />
10 Vgl. Maurach (1988, 331): “Die Komponente fors- muß noch als „unpersönlicher Ausdruck‟<br />
lange nachgewirkt haben.”<br />
11 In der Bedeutung „es ist aus!‟ bei Plautus und Terenz, später bei Dichtern „sofort‟, insgesamt<br />
kommt es aber selten vor.<br />
12 Fruyt, M. in: http://www.linguistique-latine.org/html/dictionnaire.html (September 2010).