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194 §14.5.2<br />
Er sah dass sein jüngerer Sohn vor seinen Augen begraben wurde, und<br />
er war sich sicher, dass der andere natürlich wegen Inzest und Mord an<br />
Verwandten zum Tode verurteilt werden würde.<br />
Als Satzadverb in Kombination mit scio könnten certe und certo wieder epistemisch oder<br />
verstärkend sein. Möglicherweise ist certo scio eher epistemisch („ich weiß es 100% sicher‟),<br />
certe scio eher verstärkend („sicher weiß ich es‟). Nachdem certe überhaupt interaktionaler<br />
ist als certo, könnte das auch in der Kombination mit scio der Fall sein: certe<br />
scio wäre dann eher ein Kontrast zu einer anderen Meinung des Adressaten, oder zu etwas,<br />
das der Sprecher nicht so genau weiß; certo scio wäre neutral. Dies könnte sich auch<br />
in der Stellung im Satz widerspiegeln: Dem TLL zufolge ist es nämlich auffällig, dass<br />
certo scio bei Plautus und Terenz meist am Ende des Verses steht und bei Cicero oft am<br />
Ende des Satzes; diese Position ist üblich für Verben und demnach nicht markiert, was<br />
zur neutralen Funktion passt. Dazu müsste man sich aber die Stellen genauer ansehen.<br />
14.5.2. Fortasse<br />
Fortasse ist anders als die anderen „Commitment‟-Marker: Es ist zwar ein <strong>epistemische</strong>s<br />
Adverb, drückt aber kein vollständiges „Commitment‟ des Sprechers aus. Fortasse ist ein<br />
<strong>epistemische</strong>s Modaladverb der Unsicherheit und wird abgleitet von forte (Ablativ zu<br />
fors, „Zufall‟). Vergleichbar, aber weniger häufig sind die ebenfalls von forte oder fors<br />
abgeleitete Modaladverbien fortassis, forsan, forsitan und forte selbst, die ich außer Betracht<br />
lasse. Der TLL-Artikel fortasse (VI 1, 1140, 64 ff.) 15 ist leider für meine Zwecke<br />
etwas begrenzt: Er gliedert hauptsächlich nach Modus des Verbs (Infinitiv, Indikativ, Potentialis,<br />
Irrealis oder gar kein Verb). Kühner & Stegmann (1912, 812) stellen fest, dass<br />
fortassis und fortasse sich von forsan und forsitan dadurch unterscheiden, “daß sie eine<br />
stärkere Bedeutung haben, d. h. daß sie einen höheren Grad der Wahrscheinlichkeit ausdrücken<br />
und sich mehr einer Versicherung nähern als die letzteren, welche mehr eine ungewisse,<br />
schwankende Vermutung bezeichnen.”<br />
Orlandini (1997) hat forte und fortasse, mit der Variante forsitan, untersucht. Forte<br />
bedeutet vor allem „zufällig‟ und nur selten „vielleicht‟. Häufiger findet man in der Bedeutung<br />
„vielleicht‟ fortasse, womit der Sprecher sich für die Wahrscheinlichkeit der<br />
Aussage einsetzt. Es drückt laut Orlandini immer eine „subjektive‟ <strong>epistemische</strong> Modalität<br />
aus, im Unterschied zum französischen peut-être, 16 das eine „objektive‟ <strong>epistemische</strong><br />
Modalität ausdrücke. Peut-être drücke eine Wahrscheinlichkeit von genau 50% aus, wogegen<br />
fortasse eine größere Wahrscheinlichkeit ausdrücke. In Antworten zeige peut-être<br />
dementsprechend Unsicherheit an, fortasse eine positive Orientierung. In einer Argumentation<br />
werde peut-être jedoch auch „subjektiv‟ und mit einer positiven Orientierung ver-<br />
15 Verfasser: Hey (1920).<br />
16 Vgl. Nølke (1988a, b) für eine ausführliche Besprechung von peut-être; es kann in Fragen, in<br />
Ausrufen und ironisch vorkommen, in welchen Fällen der Sprecher sich von der Aussage distanziert;<br />
speziell objektiv scheint es nicht zu sein. In Antworten scheint es, anders als Orlandini behauptet,<br />
oft positiv orientiert zu sein.