Lateinische epistemische Partikeln - VU-DARE Home - Vrije ...
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Entwicklung 93<br />
nachdem bei Sizilien sowohl seine und als auch die feindliche Flotte<br />
untergegangen waren, nempe nach den Schlachtopfern von Perusia und<br />
den Proskriptionen.<br />
10.7. Entwicklung<br />
Eine deutliche Entwicklung bei nempe in der hier untersuchten Periode ist nicht zu entdecken.<br />
Nempe scheint immer seltener in Fragen vorzukommen, aber das kann an der Art<br />
der überlieferten Texte liegen: die meisten Beispiele sind aus den Komödien des Plautus,<br />
typisch dialogischen Texten. Für die Spätantike sind mir aber tatsächlich kaum Beispiele<br />
bekannt, was aber auch an den Editionen liegen kann: möglicherweise hat der Herausgeber<br />
ein Fragezeichen nicht notwendig gefunden. Trotzdem scheint der fragende Charakter<br />
abzunehmen, was man auch daran erkennt, dass nempe in der Spätantike mit<br />
„Commitment‟-Markern verknüpft werden kann (siehe Fußnote 28). Auch in der Kombination<br />
mit anderen <strong>Partikeln</strong> ist auffällig, dass die Kombination mit sed erst bei beiden<br />
Seneca, mit enim erst bei Quintilian vorkommt (siehe §10.4.1); ob dies wirklich von Bedeutung<br />
ist, ist unklar.<br />
10.8. Zusammenfassung<br />
Nempe ist ein situierender Diskursmarker auf der Interaktionsebene, mit der der Sprecher<br />
einen Appell an den Adressaten richtet, sein „Commitment‟ zum Inhalt der Proposition zu<br />
geben. Dazu versetzt er sich in die Perspektive des Adressaten und sagt was jener hätte<br />
sagen oder denken können. Man könnte abhängig von dem Kontext mit „du meinst ...?‟<br />
bzw. „oder?‟ übersetzen. Diesen Effekt kann der Sprecher allerdings verwenden, um seine<br />
eigene Sicht dem Adressaten aufzudrängen. Alle anderen nempe zugeschriebenen Bedeutungen<br />
sind Nebeneffekte zu oder Entwicklungen aus dieser Basisfunktion, abhängig von<br />
dem Kontext. Nach dem Modell von Kroon (siehe Kapitel 6.2) kann man als Basisfunktion<br />
von nempe die Verschiebung der Verantwortung nehmen. Zu den Nebeneffekten gehören<br />
dann die anscheinend selbstverständlichen, erläuternden, konzessiven und adversativen<br />
Bedeutungen.<br />
Man kann drei Arten von Situationen, worin nempe vorkommt, unterscheiden: zum<br />
Einen wenn beide Gesprächspartner aktiv anwesend sind, also in einen Dialog verwickelt:<br />
Der zweite Sprecher gibt eine Interpretation dessen, was der erste gesagt hat, eventuell in<br />
einem fragenden Ton. Die pragmatische Motivation, diese Partikel in einem Dialog zu<br />
verwenden, ist das Kontrollieren der Interpretation. Die zweite und dritte Situation finden<br />
sich in Monologen, wo die pragmatischen Motivationen anders sind, und getan wird, als<br />
ob ein Dialog stattfinden würde (Diaphonie). In der zweiten Situation stellt der Sprecher<br />
sich einen Adressaten vor, um entweder nach einer Konzession mit nempe adversativ einen<br />
Einwand einzubringen, oder erst eine Konzession mit nempe anzufangen, und dann<br />
mit einem Einwand zu reagieren, oder eine Antwort auf eine sich selbst gestellte (rhetorische)<br />
Frage einzuleiten. Vor allem im Fall des fiktiven Adressaten kann der Sprecher das<br />
angenommene Einverständnis missbrauchen und genau das sagen, was der Adressat nicht<br />
hören möchte, wodurch Ironie entsteht. In dieser Situation stellt der Sprecher sich sozu-