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138 §12.3.4<br />
abgeschwächt. Cicero drückt sich einige Male 23 so in seinen Briefen aus, und zwar nur an<br />
Freunde oder an die Familie, immer mit Bitten, die zwar im eigenen Interesse sind, von<br />
denen er aber erwartet, dass sie erfüllt werden. Beispiel 35 (hier ist sogar das Hauptverb<br />
weggelassen, es kann aber nur zweite Person Futur sein): Es wird für Atticus nicht zu viel<br />
Mühe sein, zu schreiben. Beispiel 36: Cicero fügt noch zusätzlich auf Konsens hinarbeitend<br />
hinzu „wenn du meinst, dass du überhaupt etwas tun kannst‟. Zu beachten ist auch,<br />
dass vorher parallel in der Apodosis ein Imperativ steht (erige te et confirma). Vergleichbar<br />
ist eine Stelle bei Terenz, die allerdings schon etwas zwingender klingt (Beispiel 37).<br />
Zwar redet ein Sklave zu seinem Herrn, aber er hat deutlich die Initiative, und der Herr<br />
gehorcht (haud faciam).<br />
35. CIC. Att. 13, 28, 1 hortos quoniam hodie eras inspecturus, quid visum<br />
tibi sit, cras scilicet.<br />
Weil du dir heute die Gärten ansehen wolltest, , wie sie dir<br />
gefallen haben, natürlich morgen .<br />
36. CIC. ad Q. fr. 1, 3, 5 nunc … erige te et confirma, si qua subeunda<br />
dimicatio erit; … sin eris ab isto periculo vacuus, ages scilicet, si quid<br />
agere posse de nobis putabis.<br />
Jetzt … richte dich auf und fasse Mut, wenn dir ein Kampf bevorsteht;<br />
… wenn du aber von dieser Gefahr befreit bist, wirst du natürlich etwas<br />
für uns tun, wenn du meinst, etwas tun zu können.<br />
37. TER. Haut. 790-7 sed illud, quod tibi<br />
dixi de argento, quod ista debet Bacchidi,<br />
id nunc reddendumst illi; neque tu scilicet<br />
illuc confugies: „quid mea? num mihi datumst?<br />
…‟ ::<br />
haud faciam.<br />
Aber was das Geld angeht, das diese Frau, wie ich dir gesagt habe,<br />
Bacchis schuldig ist: Das muss ihr jetzt zurückbezahlt werden. Du wirst<br />
natürlich keine Ausflüchte machen, wie: „Was habe ich damit zu tun?<br />
Es wurde doch nicht mir gegeben? …‟ :: Das werde ich nicht tun.<br />
Die pragmatische Motivation, in diesen Stellen scilicet zu verwenden – ein Marker,<br />
der anzeigt, dass der Inhalt auch für den Adressaten evident ist –, ist, den direktiven<br />
Sprechakt abzuschwächen: Der Adressat wird natürlich gehorchen, man hätte den<br />
Wunsch fast nicht zu äußern gebraucht. Der Sprecher möchte den Eindruck eines direktiven<br />
Sprechakts vermeiden, versucht aber trotzdem den Adressaten zu manipulieren.<br />
Oder, nach der Höflichkeitstheorie (siehe Kapitel 7.2): Ein direktiver Sprechakt ist eine<br />
Bedrohung des negativen Gesichtes des Adressaten; indem der Sprecher mit scilicet die<br />
Gemeinsamkeit zeigt, ist dies eine Form positiver Höflichkeit. 24 Er geht davon aus, dass<br />
der Adressat freundlich und bereitwillig ist, zuzustimmen. Übrigens kann scilicet, wie<br />
23 Um genau zu sein: 8-mal, wovon 2-mal die Verbform in Gedanken angefüllt werden muss, aber<br />
nur Futur sein kann (Beispiel 35 und CIC. Att. 13, 5, 1).<br />
24 Also anders als in der ursprünglichen Version der Theorie beschrieben (siehe Kapitel 7.2) ist<br />
hier negatives Gesicht mit positiver Höflichkeit verbunden.