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192 §14.5.1<br />
8. PLAVT. Bacch. 1177 ego quidem ab hoc certe exorabo.<br />
Von dem werde ich es sicher erreichen.<br />
Es wäre interessant, zu untersuchen, ob auch bei certe der <strong>epistemische</strong> Gebrauch am<br />
wenigsten häufig ist. Wenn certe selbständig vorkommt, vor allem in Antworten, hat es<br />
wahrscheinlich wie selbständiges certainly und zeker meist eine verstärkende Funktion<br />
(siehe §14.7.4). Für den pragmatischen Gebrauch von certe in Fragen, siehe unten<br />
§14.7.3. Die inferentiellen und konzessiven Bedeutungen, die certe auch anzunehmen zu<br />
können scheint (TLL s. v. IA2g bzw. IIB1), kann man zu den Nebeneffekten zählen.<br />
Man könnte sich fragen, warum der Sprecher überhaupt ein Wort wie certe benutzt,<br />
was seine pragmatische Motivation ist. Simon-Vandenbergen & Aijmer (2007; 2008) haben<br />
sich vor allem mit den Gründen dafür, certainly überhaupt zu verwenden, beschäftigt.<br />
Da der Sprecher eigentlich immer glaube, dass er die Wahrheit sage, sei es fast überflüssig<br />
und habe es andere Funktionen entwickelt. Es komme typischerweise in Situationen<br />
von Kontrast und Konzessionen vor, wo etwas Sicheres etwas weniger Sicherem gegenübergestellt<br />
werde. Oft trete es deshalb mit Negationen auf. Es hat also eine wichtige Rolle<br />
in der Interaktion mit dem Adressaten. Untersucht habe ich dies nicht, aber auch certe<br />
scheint eine wichtige Rolle in der Interaktion zu haben: Es kommt auch häufig mit Negationen<br />
vor, und der restriktive Gebrauch zeichnet sich gerade durch Kontraste und Konzessionen<br />
aus.<br />
Bleibt noch certo und der Unterschied zwischen certe scio und certo scio. Oft wird<br />
der Unterschied in den Kategorien objektiv/ subjektiv gesucht, 12 was ich, wie gesagt, lieber<br />
vermeide (siehe Kapitel 4.2.3). Certo kann ein Adverb der Art und Weise „mit Sicherheit‟<br />
sein (vgl. TLL s. v. II), vor allem im Komparativ certius (Beispiel 9, vgl. das koordinierte<br />
propius) und im Superlativ certissime.<br />
9. LIV. 2, 6, 7 Arruns ubi ex lictoribus procul consulem esse, deinde iam<br />
propius ac certius facie quoque Brutum cognovit, inflammatus ira „ille<br />
est vir‟ inquit, „qui nos extorres expulit patria.‟<br />
Sobald Arruns an den Liktoren von weitem einen Konsul, dann beim<br />
Näherkommen und mit größerer Sicherheit auch dem Gesicht nach<br />
Brutus erkannt hatte, sagte er wutentbrannt: „Das ist der Mann, der uns<br />
aus der Heimat vertrieben hat.‟<br />
12 Vor allem Langen (1880, 24) und Kühner & Stegmann (1912, 799 f.).<br />
Núñez (2002) unterscheidet innerhalb certe sowie profecto einen „objektiven‟ und einen „subjektiven‟<br />
Gebrauch; sein Unterschied ist aber sehr intuitiv und seine Kriterien nicht einleuchtend. Als<br />
Beweis für den „objektiven‟ Status führt er an, dass sie in einer Antwort auf eine Entscheidungsfrage<br />
vorkommen können, in Fragen fokussiert werden können, und kompatibel mit modalen Verben<br />
sind, das heißt anscheinend koordiniert oder irgendwie kombiniert mit ihnen vorkommen können.<br />
Wieso das alles „objektiv‟ sein soll, ist unklar. In seinen Beispielen kommen beide Adverbien<br />
jedoch nicht selbständig in einer Antwort vor, und nur für certe werden Beispiele in Fragen gegeben,<br />
wo certe aber m. E. eine spezielle pragmatische Funktion hat. Weshalb „subjektive‟ Adverbien<br />
nicht mit Modalverben kompatibel sein sollten, wird ebenfalls nicht erklärt; außerdem werden<br />
nur Beispiele mit necesse est gegeben: Laut Bolkestein (1980, 73 ff. und 117 f.) – die alle modale<br />
Adverbien, und also auch certe, nach Lyons explizit nur als „subjektiv‟ auffasst (ib., 72 und 117) –<br />
ist necesse est sehr gut mit „subjektiven‟ modalen Adverbien kompatibel.