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‘Basis’ und Kontraste 133<br />
12.3.1. ‘Basis’ und Kontraste<br />
Regelmäßig wird scilicet verwendet, um etwas zunächst als für alle, aber hauptsächlich<br />
für den Sprecher und seine Adressaten, klar darzustellen, als Grundlage oder „Basis‟, um<br />
darauf aufbauend eine wichtigere Bemerkung zu machen. Oft gibt es dabei ein adversatives<br />
Wort in der zweiten Aussage (Beispiel 13 sed tamen). In diesem Beispiel lädt Cicero<br />
sich selbst ein, obwohl er weiß, dass der Gastherr Probleme mit seinen Beinen hat. Er<br />
zeigt, dass er selbstverständlich (vgl. ut debui) Mitleid hat - wobei man sich auch einen<br />
spöttischen Ton vorstellen kann -, aber trotzdem kommen wird. Die erste Aussage mit<br />
scilicet wird, wie in diesem Beispiel, als Ausgangspunkt genommen, manchmal auch fast<br />
beiseite geschoben. Erst wird ein „common ground‟ hergestellt, wonach die eigenen Ansichten<br />
des Sprechers folgen, denen der Adressat nicht unbedingt zustimmen würde. Dies<br />
ist, was Spevak eine „argumentative Konzession‟ nennt (2005, 22 f., 51 ff., siehe auch<br />
Kapitel 14.7.8.1): Der Sprecher distanziert sich von der Proposition p, die er trotzdem für<br />
wahr hält, und setzt sich stattdessen für die Proposition q ein („ich gebe zwar p zu, aber<br />
q‟). 18<br />
13. CIC. fam. 9, 23 tuli scilicet moleste, ut debui, sed tamen constitui ad te<br />
venire, ut et viderem te et viserem et cenarem etiam.<br />
(Dass du krank bist,) hat mit natürlich leid getan, wie es sich gehört,<br />
aber trotzdem habe ich beschlossen, zu dir zu kommen, um dich sehen<br />
und dir einen Besuch abzustatten und sogar mit dir essen.<br />
Es gibt aber auch etwas anders geartete Stellen, die man unter „Basis‟ gruppieren<br />
kann, aber fast ein Kontrast sind: „scilicet nicht nur x, sondern auch y‟ (Beispiel 14).<br />
14. CIC. ad Q. fr. 2, 12, 2 maximae mihi vero curae erit, ut Ciceronem<br />
tuum nostrumque videam scilicet cotidie, sed inspiciam quid discat<br />
quam saepissime.<br />
Mir wird die größte Sorge sein, dass ich deinen und unseren Cicero natürlich<br />
täglich sehe, aber auch so oft wie möglich kontrolliere, was er<br />
lernt.<br />
Auch wirkliche Kontraste gibt es mit scilicet im ersten Teil (Beispiel 15). Umgekehrt<br />
kann scilicet im zweiten Teil etwas kontrastierend in den Vordergrund stellen: „nicht x,<br />
aber scilicet y‟ (Beispiel 16) Dies alles passt gut zu der hier postulierten Funktion von<br />
scilicet: In kontroversen Situationen ist es wichtig, den Adressaten einzubeziehen, was<br />
mit scilicet und nicht mit videlicet möglich ist. Scilicet kann aber auch einen Nachtrag<br />
einführen, den der Adressat natürlich auch weiß „x, und scilicet y‟ (Beispiel 17).<br />
18 Es geht also nicht um eine „wirkliche‟ Konzession („obwohl x, trotzdem y‟), weshalb ich das<br />
Wort „konzessiv‟ vermeide.