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Interaktionsebene 71<br />
die allgemeine Funktion (§10.2.3) sowie die Wortart von nempe bestimmen (§10.2.3). In<br />
§10.3 wird die Funktion an Hand der verschiedenen Gesprächssituationen weiter analysiert.<br />
Ein wichtiger Aspekt der Funktion ist ferner das Aufnehmen des Themas des vorigen<br />
Satzes (§10.2.5).<br />
10.2.1. Interaktionsebene<br />
Die Kontexte, in denen nempe vorkommt, weisen stark darauf hin, dass nicht nur der<br />
Sprecher, sondern auch der Adressat eine wichtige Rolle in der Funktion/ Bedeutung dieser<br />
Partikel spielt. Man kann sie demnach deutlich auf die Interaktionsebene beziehen<br />
(siehe Kapitel 8.2.1), auf der sich die Interaktion zwischen den Gesprächspartnern abspielt.<br />
So kommt es relativ oft in Dialogen – bei Plautus und Terenz und in den Tragödien<br />
Senecas – und in der direkten Rede von Protagonisten vor: in der Poesie bei Valerius<br />
Flaccus und Statius sogar ausschließlich, bei Lucan nahezu immer, bei Ovid oft; auch in<br />
den Geschichtswerken von Livius, Curtius und Tacitus findet man nempe nur in der direkten<br />
oder indirekten Rede. Sonst kommt nempe vor allem in stark auf einen Adressaten<br />
gerichteten Werken vor: Cicero verwendet nempe hauptsächlich in seinen Reden; auch in<br />
den fiktiven Reden Senecas des Älteren, Quintilians und Pseudo-Quintilians kommt es<br />
relativ häufig vor. Schließlich passen in dieses Bild auch Cicero und Seneca der Jüngere<br />
mit ihren philosophischen Werken, die oft an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind.<br />
In der lateinischen Literatur gibt es wenige echte Dialoge, aber auch in Monologen<br />
hat nempe einen eindeutig interaktionalen Charakter, indem oft die Stimme des Adressaten<br />
mit einbezogen wird (Diaphonie, siehe Kapitel 8.2.2). So kann der Sprecher explizit<br />
jemanden zitieren und auf dessen Aussage reagieren (Beispiel 1), oder indirekter auf andere<br />
eingehen: In Beispiel 2 stellt der Sprecher dem Adressaten (Caepio) eine Frage, worauf<br />
er statt Caepio die Antwort gibt, worauf er wiederum selbst reagiert.<br />
1. SEN. contr. 1, 7, 2 „genui‟ inquit, „educavi‟; nempe istud beneficium et<br />
tyranno praestitisti et adultero.<br />
(Ein Vater will Hilfe von seinem Sohn, der seinerzeit seine Brüder, einen<br />
Tyrannen und einen Ehebrecher, getötet hatte) „Ich habe dich gezeugt<br />
und erzogen‟ sagt er (mein Vater); nempe diese Wohltat hast du<br />
auch einem Tyrannen und einem Ehebrecher (nämlich meinen Brüdern)<br />
erwiesen.<br />
2. RHET. Her. 2, 12, 17 maiestatem is minuit, qui ea tollit, ex quibus rebus<br />
civitatis amplitudo constat. quae sunt ea, Q. Caepio? suffragia,<br />
magistratus; nempe igitur tu et populum suffragio et magistratum<br />
consilio privasti, cum pontes disturbasti.<br />
Die Staatshoheit schwächt derjenige, der aufhebt, worin die Größe des<br />
Staates besteht. Was ist das, Caepio? Das Stimmrecht und die Magistrate.<br />
nempe du hast also das Volk seines Stimmrechts, die Magistrate ihres<br />
Konsultationsrechts beraubt, als du die „Brücken‟ (für die Abstimmung)<br />
zerstört hast.