Lateinische epistemische Partikeln - VU-DARE Home - Vrije ...
Lateinische epistemische Partikeln - VU-DARE Home - Vrije ...
Lateinische epistemische Partikeln - VU-DARE Home - Vrije ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Pragmatische Motivation 91<br />
10.6. Pragmatische Motivation<br />
Warum ein Sprecher nempe benutzt, kann verschiedene Gründe haben. In Dialogen<br />
möchte er oft seine Interpretation prüfen (siehe §10.2.2). In Monologen involviert er den<br />
Adressaten, indem er ihm die Verantwortung für die Aussage übergibt: Er kann so Konsens<br />
erzeugen, oder mindestens tun, als ob es Konsens gibt (siehe §10.3.3), er kann sich<br />
aber auch von der Aussage distanzieren (siehe §10.3.2.3). Er kann es auch benutzen, um<br />
Ironie zu erzeugen, worum es im nächsten Absatz geht. Oder er kann ein doppeltes nempe<br />
als Wortspiel benutzen (§10.6.2).<br />
10.6.1. Ironie<br />
Der Sprecher kann mit nempe nicht nur eine ehrliche Bitte an den Adressaten richten,<br />
sondern diese Partikel auch für seine eigenen Zwecke einsetzen, ohne dass er wirklich<br />
meint, dass sein Gegenüber den darauf folgenden Satz denken könnte. So gibt der Sprecher<br />
in dem nempe-Teil regelmäßig zwar eine in seinen Augen richtige Interpretation des<br />
Vorherigen, aber genau eine, die der Adressat nicht geben würde oder sogar hören möchte,<br />
34 also nicht unbedingt genau das Gegenteil. 35 Dieser ironische Ton hat nur Sinn, wenn<br />
er auch beim Adressaten ankommt, wozu die Funktion von nempe, an den Adressaten zu<br />
appellieren, sehr gut passt. Der Sprecher missbraucht sozusagen diese Partikel. Diese<br />
Form von Ironie kommt häufig vor, wenn der Sprecher die Wörter des ersten Sprechers<br />
ergänzt (Beispiel 44). Vor allem Cicero verwendet diese Technik auch gerne, wenn er auf<br />
eine selbst gestellte Frage eine Antwort gibt, die in einem normalen Dialog der Fragende<br />
nicht gerne gehört hätte (Beispiel 45). Der Sprecher kann auch anzeigen, dass er mit der<br />
vorangehenden Bemerkung (also nicht mit dem nempe-Satz selbst) genau das Gegenteil<br />
gemeint hat (Beispiel 46).<br />
44. (= 15) CIC. Phil. 3, 16 „at avus nobilis‟; Tuditanus nempe ille, qui cum<br />
palla et cothurnis nummos populo de rostris spargere solebat.<br />
„Aber der Großvater war adlig‟; jener nempe Tuditanus, der in Schauspielermantel<br />
und -schuhen dem Volk von der Rednerbühne aus Münzen<br />
zuzuwerfen pflegte.<br />
45. (= 20) CIC. Pis. 91 Arsinoan, Stratum, Naupactum, ut modo tute<br />
indicasti, nobilis urbis atque plenas, fateris ab hostibus esse captas.<br />
quibus autem hostibus? nempe eis, quos tu Ambraciae sedens primo tuo<br />
adventu ex oppidis Agraeorum atque Dolopum demigrare et aras et<br />
focos relinquere coegisti.<br />
Du gibst zu, dass Arsinoe, Stratos und Naupaktos, schöne und reiche<br />
Städte, wie du soeben selbst gesagt hast, von den Feinden eingenommen<br />
worden sind. Von welchen Feinden eigentlich? nempe von denen,<br />
34 Vgl. zu dieser Form der Ironie Orlandini (2002, 219 ff.).<br />
35 Fälschlich über ironisch nempe Kühner & Stegmann (1912, 807): „wenn das Gegenteil von dem<br />
Ausgesagten gemeint ist‟.