Lateinische epistemische Partikeln - VU-DARE Home - Vrije ...
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128 §12.1.2<br />
2. TER. Hec. 873-4 ere, licetne scire ex te, hodie quid sit quod feci boni?<br />
aut quid istuc est quod vos agitis? :: non licet.<br />
Herr, darf ich von dir wissen, was ich heute für Gutes getan habe? Oder<br />
was ihr vorhabt? :: Darfst du nicht.<br />
3. OV. epist. 1, 52-3 (Penelope an Odysseus) victor abes, nec scire mihi,<br />
quae causa morandi,<br />
aut in quo lateas ferreus orbe, licet!<br />
Nach dem Sieg bist du nicht da, und ich darf nicht wissen, was der<br />
Grund der Verzögerung ist oder wo in der Welt du, Grausamer, dich<br />
verbirgst.<br />
4. VERG. catal. 1, 1-2 de qua saepe tibi, venit; sed, Tucca, videre<br />
non licet: occulitur limine clausa viri.<br />
Die Frau, von der ich dir oft gesprochen habe, ist gekommen. Aber,<br />
Tucca, man darf sie nicht sehen: Sie wird versteckt gehalten, eingesperrt<br />
im Haus ihres Mannes.<br />
5. LVCR. 4, 698-700 videre licet maioribus esse creatum<br />
principiis quam vox, quoniam per saxea saepta<br />
non penetrat, qua vox volgo sonitusque feruntur.<br />
Man kann sehen, dass er (der Geruch) aus größeren Teilchen besteht<br />
als die Stimme, da er nicht durch eine Steinmauer dringen kann, durch<br />
die die Stimme und die Geräusche durchaus dringen.<br />
2) beide Wörter werden zwar noch als eigenständig gesehen, aber schon in einer Bedeutung<br />
der Evidentialität (oder Selbstverständlichkeit) eingesetzt:<br />
a) noch getrennt (also scire/ videre licet in einer nur evidentiellen Bedeutung). Diese Phase<br />
hat es aber womöglich gar nicht gegeben, da die überlieferten Stellen (nur bei scilicet)<br />
nur späte sind und künstlich wieder getrennt worden zu sein scheinen (siehe, auch für<br />
Beispiele, Phase 4).<br />
b) verschmolzen zu scilicet/ videlicet (was am Metrum erkennbar ist), aber noch als Verb<br />
benutzt, da ein AcI folgt. Auch dies ist eventuell schon eine künstliche Form 13 (Beispiel 6<br />
und 7). 14<br />
13 Ernout & Meillet (1979 (1932), 602), wie auch Núñez (2001, 512 Anm. 2), betrachten diese<br />
Stellen auch schon als „recomposition étymologique‟, allerdings kommen Beispiele schon bei<br />
Plautus, Terenz und Varro vor, also sehr früh, was eher auf eine Stufe in der Entwicklung hinweist.<br />
Spätere Autoren wie Fronto und Apuleius haben wahrscheinlich die Konstruktion tatsächlich<br />
künstlich wieder hergestellt.<br />
14 Bei videlicet 7-mal: drei von den sechs Plautusstellen (Asin. 599, Stich. 555 und 557), CIC. nat.<br />
deor. 2, 147 (Text unsicher), Att. 5, 11, 7 (es gibt eine Konjektur, bei der videlicet nicht mehr als<br />
Prädikat funktioniert), Att. 13, 5, 1 und LVCR. 1, 210. Bei der folgenden Stelle gehört ignoravisse<br />
wahrscheinlich noch zu videbatur, nicht zu videlicet, wie Forcellini, Lewis & Short und OLD meinen:<br />
GELL. 17, 5, 9 haec ille rhetoricus artifex dicere quibusdam videbatur perite et scienter, sed<br />
videlicet eum vocabula rerum vera ignoravisse.<br />
Bei scilicet 17-mal: bei Plautus, Terenz, Varro, Lukrez, (Pseudo-)Sallust, Fronto und Apuleius (bei<br />
Cicero nicht).