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Argumentative Konzessionen 221<br />
14.7.8.1. Argumentative Konzessionen<br />
Spevak (2005) hat sich in ihrer Monographie über Konzession im <strong>Lateinische</strong>n eingehend<br />
mit vielen Möglichkeiten, diese auszudrücken, beschäftigt. Typisch sind Konstruktionen<br />
wie „obwohl p, q‟ oder „auch wenn p, q‟. Für das <strong>Lateinische</strong> gibt es dafür Konjunktionen<br />
wie etsi, quamvis, quamquam und auch das Verb licet, das sich immer mehr zu einer<br />
Konjunktion entwickelt hat. Interessant für meine Untersuchung ist das, was sie „argumentative<br />
Konzession‟ nennt (ib., 22 f. 51 ff.). 62 Hier ist der Begriff Diaphonie relevant<br />
(siehe auch Kapitel 8.2.2): Der Sprecher kann die Stimme anderer Personen in seinen<br />
Beitrag integrieren. Damit kann der Sprecher sich mit dieser Stimme identifizieren oder<br />
sich von ihr distanzieren. In einer argumentativen Konzession präsentiert der Sprecher im<br />
ersten Teil die Ansichten einer anderen Person, um dann seine eigene, entgegengesetzte<br />
zu bringen. Die Konzession kann aus den wirklich gesagten Wörtern einer anderen Person<br />
zusammengestellt sein, oder fiktiv, indem der Sprecher z. B. einen möglichen Einwand<br />
einbringt. Der Sprecher distanziert sich von der Proposition p, die er trotzdem für<br />
wahr hält, und setzt sich stattdessen für die Proposition q ein („ich gebe zwar p zu, aber<br />
q‟). Proposition p bildet ein Hindernis für q: „wenn ich p annehme, dürfte ich normalerweise<br />
nicht q behaupten‟. Das erste Argument kann entweder hypothetisch oder faktisch<br />
sein. Im ersten Fall wird ein Konjunktiv oder ein Imperativ benutzt: Man gibt dem anderen<br />
die Erlaubnis etwas zu tun oder zu denken (Beispiel 84 = 38 Spevak ib., 53).<br />
84. CIC. de orat. 1, 195 fremant omnes, licet; dicam, quod sentio.<br />
Sollen doch alle murren; ich werde sagen, was ich denke.<br />
Nicht zu verwechseln damit sind adversative Strukturen: Wo bei der argumentativen<br />
Konzession das Argument einer anderen Person anerkannt, das Argument des Sprechers<br />
jedoch dagegen gestellt wird, werden bei einer adversativen Beziehung nur zwei Dinge<br />
einander gegenübergestellt. Bei einer Konzession sind die Propositionen immer eng miteinander<br />
verbunden.<br />
Morel (1996) hat angezeigt, dass die Proposition p auf Französisch oft Adverbien der<br />
<strong>epistemische</strong>n Modalität enthält wie bien sûr, peut-être, womit der Sprecher die Anerkennung<br />
der Wahrheit anzeigt und den Grad, wieweit der Sprecher einverstanden ist. Die<br />
Proposition q wird oft von einem adversativen Element eingeführt. Auf Lateinisch wären<br />
das nach Spevak (ib., 52) sane, profecto, (e)quidem, 63 fortasse im ersten Teil (in p), certe,<br />
verum, vero 64 als <strong>epistemische</strong> Adverbien, quidem, modo als restriktive Adverbien, oder<br />
tamen, nihilominus, sed, at, atqui als adversative Elemente im zweiten (in q). Interessant<br />
ist es, unsere Wörter, was diesen Aspekt angeht, genauer zu betrachten:<br />
62 Orlandini (2001, 259) nennt es „concession rhétorique‟.<br />
63 Für quidem siehe Kroon (2004a; 2005; 2009): Es zeigt an, dass zwei Teilen zu einem Zug gehören;<br />
nur als Nebeneffekt kann diese Beziehung konzessiv sein. Vgl. Solodow (1978).<br />
64 Vero und vor allem verum sind allerdings m. E. oft als adversativ zu betrachten.