Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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200 III. Das Zuspiel<br />
102. Das Denken: der Leitfaden der Leitfrage ... 201<br />
anschauung« oder »Lebenskunst« und »Weisheit« zu sein);<br />
vielmehr heiBt es: Das Denken in seiner hochsten Gestalt ist der<br />
unbedingte Leitfaden der Auslegung des Seienden als solchen,<br />
d. h. der einzigen Aufgabe der <strong>Philosophie</strong>. Deshalb fur Fichte<br />
die»Wissenschaftslehre« = Metaphysik, insgleichen fUr Hegel:<br />
die Metaphysik = »Wissenschaft der Logik«.<br />
Indem aber so die reine Beziehung des Ich-denke-Einheit<br />
(im Grunde eine Tautologie) die unbedingte wird,heiBt dieses:<br />
die sich selbst gegenwiirtige Gegenwart ist der MaBstab aller<br />
Seiendheit.<br />
Und so sehr alles in den tieferen Bezugen verhullt bleibt,<br />
zeigt sich somit das Eine Entscheidende: Weil das Denken und<br />
je eigentlicher das Denken unbedingt Leitfaden wird, urn so<br />
entschiedener ist die Gegenwiirtigkeit als solche, d. h. die »Zeit«<br />
in einem urspriinglichen Sinne das, was ganz verhullt und<br />
ungefragt der Seiendheit die Wahrheit gibt.<br />
Das absolute Wissen, das unbedingte Denken ist jetzt das<br />
maBgebende und zugleich alles begriindende Seiende schlechthin.<br />
Jetzt zeigt sich erst: Der Leitfaden ist nicht ein Hilfsmittel<br />
des Verfahrens im DenkvolIzug, sondem ist die zugrundeliegende,<br />
aber als solche sich verbergende Horizontgebung fur die<br />
Auslegung der Seiendheit. Diese Horizontgebung kann, herkommend<br />
von der ungegriindeten &.A~{}EUl, im Anfang selbst<br />
sich nur entfalten, indem sie sich das Grundstuck der Richtigkeit<br />
(die Subjekt-Objekt-Beziehung) aus sich selbst mit den<br />
eigenen Moglichkeiten (des Sichwissens - Reflexion) ausbildet<br />
bis in das Unbedingte der Identitat als solcher.<br />
So zeigt sich zugleich, wie im absoluten Wissen die »Richtigkeit«<br />
ins hochste gesteigert ist, so daB sie als Gegenwart der<br />
Gegenwart in gewisser Weise und auf anderer Stufe <strong>zur</strong> &.A~{}ELa<br />
<strong>zur</strong>iickkehren muB, freilich so, daB nun noch endgiiltiger jeder<br />
ausdriickliche Bezug zu ihr insWissen und garin dieFrage riickt.<br />
Wie wenig dies glucken kann, zeigt die Wahrheitsauffassung<br />
Nietzsches, fur den die Wahrheit zum notwendigen<br />
Schein, <strong>zur</strong> unumganglichen Festmachung ausartet, einbezogen<br />
in das Seiende selbst, das als »Wille <strong>zur</strong> Macht« bestimmt<br />
wird.<br />
So ist die abendlandische Metaphysik an ihrem Ende der<br />
Frage nach der Wahrheit des Seyns am femsten und doch zugleich<br />
am nachsten, indem sie den Dbergang dahin als Ende<br />
vorbereitet hat.<br />
Die Wahrheit als Richtigkeit vermag nicht ihren eigenen<br />
Spielraum als solchen zu erkennen und d. h. zu begriinden. Sie<br />
hilft sich, indem sie sich selbst in das Unbedingte aufsteigert<br />
und alles unter sich bringt, um so selbst des Grundes (so scheint<br />
es) unbedurftig zu werden.<br />
Fur die Herausstellung der Geschichte des »Leitfadens«, d. h.<br />
cler Horizontverfestigung im absoluten Wissen, sind folgende<br />
Schrittstufen wichtig:<br />
<strong>Vom</strong> ego cogito sum als der ersten GewiBheit, dem maBgebenden<br />
certum = verum = ens, <strong>zur</strong> connaissance des verites<br />
necessaires als Bedingung der Mogliehkeit der reflexion, der<br />
Erfassung des Ich als »Ich«. Die notwendigste Wahrheit ist das<br />
Wesen des Wahren als identitas, und diese ist die entitas entis<br />
und als im voraus (qua Principium) gewuBte Horizont-gebend<br />
fur die Erfassung der perceptio und ihres perceptum, fur die<br />
appereeptio, die ausdriiekliche Erfassung der monas als monas.<br />
Von hier aus ist der Weg gewiesen <strong>zur</strong> urspriinglich-synthetischen<br />
Einheit der transzendentalen Apperception.<br />
Von hier zum »Ich« als der urspriinglichen, sich wissend<br />
gehorigen und deshalb »seienden« Identitat. (A = A gegriindet<br />
im Ieh = Ich, und nicht Ich = Ich im Sonderfall des<br />
A=A).<br />
Sofem aber das »Ich« transzendental als Ich-denke-Einheit<br />
begriffen wird, ist diese urspriingliche Identitat zugleich die<br />
unbedingte, alles bedingende, aber trotzdem noch nicht absolute,<br />
weil Fichtisch das Gesetzte nur als Nicht-Ich gesetzt. Der<br />
Weg <strong>zur</strong> absoluten Identitat erst bei Schelling.