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Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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1512 II. Der Anklang<br />

76. Siitze iiber »die Wissenschaft«<br />

153<br />

»Darstellungen« rein auf die SichersteUung der »QueUen«<br />

beschriinken, die dann selbst als die eigentlichen »Funde«<br />

bezeichnet werden. Aber selbst diese SichersteUung der<br />

»Funde« und des Findbaren geht sogleich und notwendig<br />

iiber in eine Erkliirung und damit Beanspruchung einer leitenden<br />

Hinsicht (die grobste Zuordnung und Einordnung<br />

eines Fundes in das Schongefundene ist eine Erkliirung).<br />

1m Verlauf der Entwicklung der Historie wiichst nicht<br />

nur das Material, es wird nicht nur iibersichtlicher und<br />

durch verfeinerte Einrichtungen rascher und zuverliissiger<br />

zugiinglicher, sondern es wird vor aUem in sich immer bestiindiger,<br />

d. h. gleichbleibender im Wechsel der Hinsichten,<br />

denen es untersteUt wird. Die historische Arbeit wird<br />

dadurch immer bequemer, weil nur noch die Anwendung<br />

einer neuen Deutungshinsicht im festliegenden Material<br />

durchzufiihren ist. Die Deutungshinsicht aber bringt die<br />

Historie niemals selbst auf, sondern sie ist immer nur der<br />

Widerschein der gegenwiirtigen Geschichte, in der der Historiker<br />

steht, die er aber gerade nicht geschichtlich wissen,<br />

sondern schlieBlich nur wieder historisch erkliiren kann.<br />

Die Auswechslung der Deutungshinsicht aber verbiirgt<br />

dann fiir liingere Zeit wieder eine Fiille von neuen Entdeckungen,<br />

was wiederum die Historie selbst in der Selbstsicherheit<br />

ihrer Fortschrittlichkeit bestiirkt und sie immer<br />

mehr in das ihr eigene Ausweichen vor der Geschichte verfestigt.<br />

Wird aber nun gar eine bestimmte Deutungshinsicht<br />

zu der allein maBgebenden erhoben, dann findet die<br />

Historie in dieser Eindeutigkeit der leitenden Hinsicht<br />

iiberdies noch ein Mittel, urn sich iiber die bisherige, in<br />

ihren Hinsichten wechselnde Historie zu erheben und diese<br />

Bestiindigkeit ihrer »Forschung« in die liingst gewiinschte<br />

Entsprechung mit den »exakten Wissenschaften« zu bringen<br />

und eigentlich »Wissenschaft« zu werden, was sich<br />

darin bekundet, daB sie betriebs- und »institutsfiihig« wird<br />

(etwa entsprechend den Einrichtungen der Kaiser Wilhelm<br />

GeseUschaft). Dieser VoUendung der Historie <strong>zur</strong> gesicherten<br />

»Wissenschaft« widerspricht es keineswegs, daB ihre<br />

Hauptleistung nunmehr in der Form der zeitungsmiiBigen<br />

Berichterstattung (Reportage) vollwgen wird und die Historiker<br />

auf solche DarsteUungen der Weltgeschichte gierig<br />

werden. Denn schon ist, und nicht zufiillig, die»Zeitungswissenschaft«<br />

im Werden. Man sieht in ihr noch eine Abart,<br />

wenn nicht gar eine Entartung der Historie, in Wahrheit<br />

aber ist sie nur die letzte Vorwegnahme des Wesens der<br />

Historie als neuzeitlicher Wissenschaft. Zu beachten ist die<br />

unvermeidliche Koppelung dieser »Zeitungswissenschaft«<br />

im weiten Sinne mit der Verlegerindustrie. Beide in ihrer<br />

Einheit entspringen dem neuzeitlichen technischen Wesen.<br />

(SobaId daher die »Philosophische Fakultiit« einmal entschlossen<br />

zu dem ausgebaut wird, was sie jetzt schon ist,<br />

werden die Zeitungswissenschaft und die Geographie zu<br />

ihren Grundwissenschaften werden. Die iiberaU deutliche<br />

innere Verkiimmerung dieser »Fakultiiten« ist nur die Folge<br />

des mangelnden Mutes, ihren Scheincharakter als philosophische<br />

entschlossen abzulegen und dem Betriebscharakter<br />

der kiinftigen »Geisteswissenschaft« voUen Raurn zu seiner<br />

Einrichtung zu geben).<br />

Trotzdem die Theologie »weltanschaulich« anders bestimmt<br />

bleibt, ist sie rein betriebsmiiBig im Dienste ihrer<br />

Bestimmung als Wissenschaft weit fortgeschrittener als die<br />

»Geisteswissenschaften«, weshalb es ganz in der Ordnung<br />

ist, wenn die theologische Fakultiit zwar der medizinischen<br />

und juristischen nach, der philosophischen aber vorgeordnet<br />

wird.<br />

Die Historie, immer verstanden im beanspruchten Charakter<br />

der neuzeitlichen Wissenschaft, ist ein stiindiges Ausweichen<br />

vor der Geschichte. Aber selbst in diesem Ausweichen<br />

behiilt sie noch einen Bezug <strong>zur</strong> Geschichte, und das<br />

bringt die Historie und den Historiker in eine Zweideutigkeit.

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