Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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T<br />
146 II. Der Anklang<br />
76. Siitze iiber »die Wissenschaft«<br />
147<br />
iibersehbarkeit, Arbeitsteilung, sondern eine notwendige<br />
innere Folge ihres Charakters als Einzelwissenschaft und<br />
unverauBerliche Bedingung ihres Bestandes und d. h. immer<br />
ihres Fortschritts. Wo liegt der eigentliche Grund der<br />
Zerfallung? In der Seiendheit als Vorgestelltheit.<br />
6. Jede Wissenschaft, auch die sogenannte »beschreibende«, ist<br />
erkliirend: das Unbekannte des Gebietes wird in verschiedenen<br />
Weisen und Reichweiten der Riickfiihrung auf ein<br />
Bekanntes und Verstandliches <strong>zur</strong>iickgebracht. Die Bereitstellung<br />
der Erklarungsbedingungen ist die Untersuchung.<br />
7. Je nachdem dieses Verstandliche und der Anspruch auf<br />
Verstandlichkeit das Gebiet der einzelnen Wissenschaft im<br />
voraus bestimmt, ist der Zusammenhang des Erkliirens geartet<br />
und als jeweils hinreichend umgrenzt (z. B. die Erklarung<br />
eines Gemaldes in physikalisch-chemischer Hinsicht;<br />
die Erklarung seiner Gegenstandlichkeit in physiologischpsychologischer<br />
Hinsicht; die Erklarung des »Werkes« in<br />
»historischer« Hinsicht und die Erklarung in »kiinstlerischer«<br />
Hinsicht).<br />
8. Die Einrichtung eines Wissens (vorauserfahrenen Wesenswahrheit)<br />
(vgl. n. g) vollzieht sich als Auf- und Ausbau eines<br />
Erklarungszusammenhangs, der zu seiner Ermoglichung<br />
die durchgiingige Bindung des Untersuchens an das<br />
jeweilige Sachgebiet und zwar innerhalb der Hinsicht, in<br />
die es geriickt ist, fordert. Diese Bindung der Wissenschaften<br />
als Einrichtungen von Richtigkeitszusammenhangen ist<br />
die ihnen zugehorige Strenge. Jede Wissenschaft ist so, wie<br />
sie »positiv« sein und aus jeweiliger Hinsicht auf ein jeweiliges<br />
Gebiet sich vereinzeln muB, in sich streng.<br />
9. Die Entfaltung der Strenge einer Wissenschaft vollzieht<br />
sich in den Weisen des Vorgehens (der Hinsichtnahme auf<br />
das Sachgebiet) und des Verfahrens (der Ausfiihrung des<br />
Untersuchens und der Darstellung), in der »Methode«. Dieses<br />
Vorgehen bringt den Gegenstandsbezirk jeweils in eine<br />
bestimmte Richtung der Erklarbarkeit, die grundsatzlich<br />
schon die Unausbleiblichkeit eines »Ergebnisses« sicllerstellt.<br />
(Es kommt immer etwas heraus.)<br />
Die Grundart des Vorgehens in allem Erklaren ist der<br />
Verfolg und die vorgreifende Anlage von einzelnen Reihen<br />
und Ketten fortlaufender Ursache-Wirkungs-Beziehungen.<br />
Das machenschaftliche Wesen des Seienden, obzwar nicht<br />
als solches erkannt, rechtfertigt nicht nur, sondern fordert<br />
in grenzenloser Steigerung dieses ergebnissichere Denken<br />
in »Kausalitaten«, die streng genommen nur »wenn-so«<br />
-Beziehungen sind in der Gestalt des Wann-dann (wohin<br />
daher auch die »Statistik« der modernen Physik gehort, die<br />
keineswegs die »Kausalitat« iiberwindet, sondern sie Iediglich<br />
in ihrem machenschaftlichen Wesen ans Licht bringt).<br />
Zu meinen, mit dieser scheinbar »freien« Kausalitat das<br />
»Lebendige« eher fassen zu konnen, verrat lediglich die geheime<br />
Grundiiberzeugung, eines Tages auch das Lebendige<br />
unter die BotmaBigkeit der Erklarung zu stellen. Dieser<br />
Schritt liegt umso naher, als auf der Seite des Gegengebietes<br />
<strong>zur</strong> Natur, in der Geschichte, die rein »historische« bzw.<br />
»prahistorische« Methode vorherrscht, die vollig in Kausalitaten<br />
denkt und das »Leben« und das »Erlebbare« der kausalen<br />
Nachrechnung zuganglich macht und allein darin die<br />
Form des geschichtlichen »Wissens« sieht. DaB man in der<br />
Geschichte den »Zufall« und das »Schicksal« als mitbestimmend<br />
zugibt, belegt erst recht die Alleinherrschaft des kausalen<br />
Denkens, sofern ja »Zufall« und »Schicksal« nur die<br />
nicht genau und eindeutig errechenbaren Ursache-Wirkungs-Beziehungen<br />
darstellen. DaB iiberhaupt das geschichtlich<br />
Seiende eine vollig andere (auf das Da-sein gegriindete)<br />
Seinsart haben konnte, kann der Historie niemals<br />
wiBbar gemacht werden, weil diese sich dann selbst aufgeben<br />
miiBte (iiber das Wesen der Geschichte vgl. Dberlegungen<br />
VI, 33 ff., 68 f., 74 f.). Denn als Wissenschaft hat<br />
sie zu ihrem im voraus festgelegten Auslaufbereich das<br />
Selbstverstandliche, das einer durchschnittlichen Verstand