Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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112 II. Der Anklang<br />
54. Seinsverlassenheit<br />
113<br />
freilich in der Ebene des Sichrichtens nach dem Seienden als<br />
solchen zum ttQO'tEQOV und a priori werden muB.<br />
Der scharfste Beweis fur dieses verborgene Wesen des Seyns<br />
(fur das Sichverbergen in der Offenheit des Seienden) ist nicht<br />
nur die Herabsetzung des Seyns zum Gemeinsten und Leersten.<br />
Der Beweis wird gefuhrt durch die ganze Geschichte der Metaphysik,<br />
fur die eben die Seiendheit das Bekannteste und sogar<br />
zum Gewissesten des absoluten Wissens werden muB und<br />
schlieBlich bei Nietzsche zu einem notwendigen Schein.<br />
Ob wir diese groBe Lehre des ersten Anfangs und seiner Geschichte<br />
begreifen: das Wesen des Seyns als die Verweigerung<br />
und hochste Verweigerung in der groBten Offentlichkeit der<br />
Machenschaften und des »Erlebens«?<br />
Ob wir Kunftigen das Ohr haben fur den Klang des Anklangs,<br />
der in der Vorbereitung des anderen Anfangs zum<br />
Klingen gebracht werden muB?<br />
Die Seinsverlassenheit: sie muB als das Grundgeschehnis<br />
unserer Geschichte erfahren und ins Wissen - das gestalterische<br />
und fuhrende - gehoben werden.<br />
Und hierzu ist notig:<br />
1. daB die Seinsverlassenheit in ihrer langen und verdeckten,<br />
sich selbst verdeckenden Geschichte erinnert wird. Es genugt<br />
nicht der Hinweis auf das Heutige;<br />
2. daB die Seinsverlassenheit ebensosehr als die Not erfahren<br />
wird, die in den Obergang hiniiber mgt und diesen als den<br />
Zu-gang auf das Kunftige befeuert. Auch der Obergang muB<br />
in seiner ganzen Weite und Vielspaltigkeit erfahren werden<br />
(vgl. dazu Dberlegungen IV, 96).<br />
53. Die Not<br />
Warum denkt man, wenn das Wort »Not« fallt, sogleich an<br />
»Mangel« und »Ubel«, an Solches, dem wir abgiinstig sein<br />
mussen? Weil man die Notlosigkeit als das »Gut« schatzt, und<br />
dies mit Recht uberall dort, wo es die Wohlfahrt gilt und das<br />
Gluck. Diese erhalten sich nur aus der ungebrochenen Zufuhr<br />
des Nutz- und GenieBbaren, dem schon Vorhandenen, das<br />
durch den Fortschritt eine Vermehrung zulaBt. Aber der Fortschritt<br />
ist zukunftslos, weil er nur das Bisherige auf dessen eigener<br />
StraBe »weiter« befordert.<br />
Wenn es aber jenes gilt, dem wir zugehoren, wohin wir verborgen<br />
genotigt sind, wie steht es dann um die »Not«? Das<br />
Notigende, unergriffen Aufbehaltene ubertrifft wesentlich jeden<br />
»Fortschritt«, weil es das echte Zukunftige selbst ist, so daB<br />
es uberhaupt aus dem Unterschied von Dbel und Gut herausfallt<br />
und aller Berechnung sich entzieht.<br />
Kann uns (wen?) noch einmal eine solche Notigung anfallen?<br />
MuBte sie nicht auf eine vollige Verwandlung des Menschen<br />
abzielen? Durfte sie ein Geringeres sein als das Unausweichliche<br />
des hochsten Befremdlichen?<br />
54. Seinsverlassenheit<br />
Zu ihr gehort die Seinsvergessenheit und imgleichen der Zerfall<br />
der Wahrheit.<br />
Beides ist im Grunde das selbe. Dennoch muB, um die Seinsverlassenheit<br />
als Not zu ernotigen, jeweils jedes <strong>zur</strong> Besinnung<br />
gebracht werden, damit hochste Not, die Notlosigkeit in dieser<br />
Not, aufbreche und die fernste Nahe <strong>zur</strong> Flucht der Gotter zum<br />
ersten Anklang bringe.<br />
Gibt es aber einen harteren Beweis fur die Seinsverlassenheit<br />
als diesen: daB die im Riesigen und seiner Einrichtung sich austobende<br />
Menschenmasse nicht einmal dessen mehr gewiirdigt<br />
wird, auf einer kurzesten Bahn die Vernichtung zu finden? Wer<br />
ahnt den Anklang eines Gottes in solcher Versagung?<br />
Was geschahe, wenn wir einmal Ernst machen wollten und<br />
aus allen Gebieten der scheinbaren »Kulturtatigkeit« uns <strong>zur</strong>iickzogen<br />
in das Eingestandnis, daB hier keine Notwendigkeit