Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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90 1. Vorblick<br />
44. Die »Entscheidungen«<br />
91<br />
nur die »Systembauerei«, sondern auch das »systematische«<br />
Denken noch leicht, d. h. auf eine gesicherte Auslegung des<br />
Seienden gegriindet gegeniiber der Aufgabe des Fragens nach<br />
der Wahrheit des Seyns, des Denkens der Ent-scheidung.<br />
Zunachst aber denken wir die »Entscheidung« als ein Vorkommnis<br />
innerhalb eines Entweder-Oder.<br />
Und es ist ratsam, die urspriingliche seinsgeschichtliche Auslegung<br />
der Entscheidung vorzubereiten durch einen Hinweis<br />
auf »Entscheidungen«, die aus jener Ent-scheidung als geschichtliche<br />
Notwendigkeiten entspringen.<br />
Die lange, nicht nur neuzeitliche Gewohnung an eine Vordergriindlichkeit<br />
des Menschen (als animal rationale) in allem<br />
abendlandischen Denken macht es schwer, Worte und Begriffe<br />
eines scheinbar festliegenden anthropologisch-psychologischen<br />
Gehalts aus einer ganz anderen Wahrheit und <strong>zur</strong> Griindung<br />
dieser zu sagen, ohne der anthropologischen MiBdeutung zu<br />
entgehen und der bequemen Entgegnung, daB eben doch alles<br />
»anthropologisch« sei. Die Billigkeit dieses Einwandes ist so<br />
grenzenlos, daB sie verdachtig werden muB. Ihr liegt zugrunde,<br />
daB man den Menschen, d. h. sich selbst, nie in die Frage stellen<br />
will, vielleicht weil man im Geheimen doch der anthropologischen<br />
Herrlichkeit des Menschen nicht so vollig sicher ist.<br />
44. Die »Entscheidungen«<br />
Db der Mensch »Subjekt« bleiben will oder ob er das Da-sein<br />
griindetob<br />
mit dem Subjekt das »animal« als die »Substanz« und<br />
das »rationale« als »Kultur« dauerfahig bleiben solI oder Db<br />
die Wahrheit des Seyns (siehe unten) im Da-sein eine werdende<br />
Statte findetob<br />
das Seiende das Sein als sein »Generellstes« nimmt und<br />
damit der »Ontologie« ausliefert und verschiittet oder ob das<br />
Seyn in seiner Einzigkeit zum Wort kommt und das Seiende<br />
als Einmaliges durchstimmtob<br />
die Wahrheit als Richtigkeit in die GewiBheit des Vorstellens<br />
und Sicherheit des Rechnens und Erlebens entartet<br />
oder ob das anfanglich ungegriindete Wesen der uAfJi1ELa als die<br />
Lichtung des Sichverbergens auf einen Grund kommtob<br />
das Seiende als das Selbstverstandlichste alles Mittlere<br />
und Kleine und Durchschnittliche zum Verniinftigen verfestigt<br />
oder ob das Fragwiirdigste die Gediegenheit des Seyns ausmachtob<br />
die Kunst eine Erlebnisveranstaltung oder das Ins-Werk<br />
Setzen der Wahrheit ist <br />
ob die Geschichte <strong>zur</strong> Riistkammer der Bestatigungen und<br />
Vorlauferschaften herabgesetzt wird oder als der Gebirgszug<br />
der befremdlichen unbesteigbaren Berge aufsteigtob<br />
die Natur zum Ausbeutungsgebiet des Rechnens und Einrichtens<br />
und <strong>zur</strong> Gelegenheit des »Erlebens« erniedrigt wird<br />
oder ob sie als die sich verschlieBende Erde das Offene der bildlosen<br />
Welt tragtob<br />
die Entgotterung des Seienden in der Verchristlichung der<br />
Kultur ihre Triumphe feiert oder ob die Not der Unentschiedenheit<br />
iiber die Nahe und Ferne der Gotter einen Entscheidungsraum<br />
vorbereitetob<br />
der Mensch das Seyn wagt und damit den Untergang<br />
oder ob er sich mit dem Seienden begniigtob<br />
der Mensch iiberhaupt noch die Entscheidung wagt oder<br />
ob er sich der Entscheidungslosigkeit iiberlaBt, die das Zeitalter<br />
als den Zustand »hochster« »Aktivitat« nahelegt.<br />
AIle diese Entscheidungen, die dem Schein nach viele sind<br />
und verschiedene, ziehen sich auf die eine und einzige zusammen:<br />
ob das Seyn sich endgiiltig entzieht oder ob dieser Entzug<br />
als die Verweigerung <strong>zur</strong> ersten Wahrheit und zum anderen<br />
Anfang der Geschichte wird.<br />
Das Schwerste und Herrlichste der Entscheidung fur das<br />
Seyn verschlieBt sich darin, daB sie unsichtbar bleibt und, falls