Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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180 III. Das Zuspiel<br />
91. <strong>Vom</strong> ersten zum anderen Anfang<br />
181<br />
antreffen wollte. Nur <strong>zur</strong> groben und ersten Unterweisung<br />
kann der erste Anfang mit Hil£e der »Leitfrage« in seinem<br />
Denken gekennzeichnet werden.<br />
Andererseits geht aber auch das Anfangliche des Anfangs<br />
verloren, d. h. es zieht sich in das Unergriindete des Anfangs<br />
<strong>zur</strong>iick, sobald die Leitfrage fiir das Denken maBgebend wird.<br />
Suchen wir die Geschichte der <strong>Philosophie</strong> wirklich im Geschehen<br />
des Denkens und seines ersten Anfangs und halten wir<br />
dieses Denken in seiner Geschichtlichkeit offen durch die Entfaltung<br />
der durch diese ganze Geschichte bis zu Nietzsche unentfalteten<br />
Leitfrage, dann kann die innere Bewegung dieses<br />
Denkens, obzwar nur formelhaft, durch einzelne Schritte und<br />
Stufen festgehalten werden:<br />
Die Erfahrung und Vernehmung und Sammlung des Seienden<br />
in seiner Wahrheit verfestigt sich in die Frage nach der<br />
Seiendheit des Seienden am Leitfaden und dem Vorgriff des<br />
l>Denkens« (vernehmendes Aussagen).<br />
Seiendheit und Denken<br />
Dieser nicht weiter gegriindete Vorrang und Vorgriffscharakter<br />
des Denkens (Myo; - ratio - intellectus) wird jedoch verfestigt<br />
in der aus der anfanglichen Erfahrung des Seienden als solchen<br />
entspringenden Auffassung des Menschen als animal rationale.<br />
Die Moglichkeit ist vorgezeichnet, daB jener Leitfadencharakter<br />
des Denkens mit Bezug auf die Auslegung des Seienden sich<br />
erst recht zum einzigen Entscheidungsort iiber das Seiende<br />
iiberhebt, zumal dann, wenn zuvor und langehin die ratio und<br />
der intellectus in ein Dienstverhaltnis gezwungen wurden<br />
(christlicher Glaube), aus dem zwar keine neue Auslegung des<br />
Seienden entsprang, woh! aber die Verstarkung der Wichtigkeit<br />
des Menschen als des einzelnen (Seelenheil). Jetzt kam die<br />
Moglichkeit einer Lage, in der der ratio recht sein mu13te, was<br />
dem Glauben billig war, sofern alles auf diesen gestellt und alle<br />
Moglichkeiten in ihm erschopft wurden.<br />
Warum solI nicht auch die ratio, zunachst noch im Verein mit<br />
der fides, dasselbe fiir sich selbst beanspruchen, ihrer selbst sich<br />
versichern und diese Sicherheit zum MaBstab aller Verfestigung<br />
und Be-»griindung« (ratio als Grund) machen? Jetzt beginnt<br />
eine Verlegung des Gewichtes des Denkens in die Selbstsicherheit<br />
des Denkens (veritas wird <strong>zur</strong> certitudo), und in der<br />
Formel mu13 daher jetzt zuerst das Denken und zwar in den<br />
gewandelten Leistungsanspruch gesetzt werden. Entsprechend<br />
wandelt sich die Bestimmung der Seiendheit des Seienden <strong>zur</strong><br />
Gegenstandlichkeit:<br />
Denken (Gewif3heit) und Gegenstiindlichkeit (Seiendheit)<br />
Zu zeigen, wie von hier aus<br />
1. das neuzeitliche Denken bis zu Kant bestimmt wird;<br />
2. wie hieraus die Urspriinglichkeit des Kantischen Denkens<br />
kommt;<br />
3. wie durch einen Riickschwung in die christliche Oberlieferung<br />
zusammen mit einem Verlassen der Kantischen Stellung<br />
das absolute Denken des deutschen Idealismus entsteht;<br />
4. wie die Unkraft zum metaphysischen Denken in einem mit<br />
den Wirkungskriiften des 19. Jahrhunderts (Liberalismus <br />
Industrialisierung - Technik) den Positivismus fordert;<br />
5. wie aber gleichzeitig die Oberlieferung Kants und des deutschen<br />
Idealismus bewahrt und eine Wiederaufnahme des<br />
platonischen Denkens gesucht wird (Lotze und seine Wertmetaphysik);<br />
G. wie iiber all dieses hinweg und doch davon getragen und<br />
umschniirt Nietzsche in der Auseinandersetzung mit dem<br />
fragwiirdigsten Mischgebilde (aus 3, 4 und 5) Schopenhauer<br />
seine Aufgabe in der Dberwindung des Platonismus erkennt,<br />
ohne doch in den Fragebereich und die Grundstellung vorzudringen,<br />
aus denen dieser Aufgabe erst die Befreiung yom<br />
Bisherigen gesichert werden kann.