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Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

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I<br />

L<br />

88<br />

I. Vorblick<br />

fahr liegt nahe und wird durch das vielfach Unbewiiltigte in<br />

»Sein und Zeit« verstiirkt. Aber die MiBdeutung ist im Grunde,<br />

wenngleich nicht in der ausfiihrenden Dberwindung, gebannt,<br />

wenn von Anfang an die Grundfrage nach dem »Sinn des<br />

Seyns« als die einzige Frage festgehalten wird.<br />

Dann riickt das, was hier Ent-scheidung genannt ist, in die<br />

innerste Wesensmitte des Seyns selbst und hat dann nichts mit<br />

dem gemein, was wir das Treffen einer Wahl und dergleichen<br />

heiBen, sondern sagt: das Auseinandertreten selbst, das scheidet<br />

und im Scheiden erst in das Spiel kommen liiBt die Er-eignung<br />

eben dieses im Auseinander Offenen als der Lichtung fUr das<br />

Sichverbergende und noch Un-entschiedene, die Zugehorigkeit<br />

des Menschen zum Seyn als des Griinders seiner Wahrheit und<br />

die Zugewiesenheit des Seyns in die Zeit des letzten Gottes.<br />

Neuzeitlich gesonnen denken wir von uns aus und stoBen,<br />

wenn wir von uns wegdenken, immer nur auf Gegenstiinde.<br />

Diesen gewohnten Weg des Vor-stellens eilen wir hin und her<br />

und erkliiren in seinem Umkreis Alles und bedenken nie, ob<br />

nicht dieser Weg unterwegs einen Absprung zulasse, durch den<br />

wir erst in den >Raum< des Seyns springen, uns die Ent-scheidung<br />

er-springen.<br />

Auch wenn wir die »existenzielle« MiBdeutung der »Entscheidung«<br />

hinter uns lassen, steht noch die Gefahr einer anderen<br />

vor uns, die allerdings heute mit der vorigen besonders<br />

gem zusammengeworfen wird.<br />

Das Entscheidungshafte als das »Willentliche« und »MachtmiiBige«<br />

konnte im Gegensatz zum »System« begriffen werden<br />

mit der Berufung auf Nietzsches Wort: »Der Wille zum System<br />

ist ein Mangel an Rechtschaffenheit« (VIII, 64)1. Die Kliirung<br />

dieses Gegensatzes ist allerdings notig, weil die Entscheidung<br />

in den Gegensatz zum »System« kommt, aber in einem wesentlicheren<br />

Sinne, als selbst Nietzsche den Gegensatz gesehen<br />

hat. Denn fUr ihn ist »System« doch immer der Gegenstand der<br />

1 F. Nietzsche, Gotzen-Diimmerung. In: Nietzsche's Werke (GroBoktavausgabe),<br />

Bd. VIII. Leipzig (Kroner) 1919, S. 64<br />

4J. Das Seyn und die EntsCheidung<br />

»Systembauerei«, des nachtriiglichen Zusammenstellens und<br />

Ordnens. Aber sogar wenn wir Nietzsche eine gemaBere Auffassung<br />

vom Wesen des Systems zubilligen, muB gesagt werden,<br />

daB er das Wesen nicht begriff und begreifen konnte, weil<br />

er selbst fiir seine Fragen noch diejenige Auffassung des<br />

»Seins« (des Seienden) bejahen muBte, auf deren Grund und<br />

als deren Entfaltung das »System« entspringt: die Vorgestelltheit<br />

des Seienden als vorgreifendes Einigen, vor-stellen der Gegenstandlichkeit<br />

des Gegenstandes (die wesentliche Kliirung<br />

in Kants Bestimmung des Transzendentalen). »Ordnung« und<br />

Ubersichtlichkeit (nicht ordo des Mittelalters) sind erst Folgen<br />

des »Systematischen«, nicht sein Wesen. Und am Ende gehort<br />

<strong>zur</strong> Rechtschaffenheit gerade das »System«, als ihre innere Erfiillung<br />

nicht nur, sondern als ihre Voraussetzung. Allerdings<br />

meint Nietzsche mit »Rechtschaffenheit« ebensosehr ein Anderes,<br />

als er mit dem »System« nicht in das Wesen der Neuzeit<br />

eindringt. Es geniigt nicht, das »System« nur als Eigentiimlichkeit<br />

der Neuzeit zu fassen, das kann richtig und die Neuzeit<br />

dennoch vordergriindlich gefaBt sein.<br />

Nietzsches Worte iiber »das System« sind denn auch gem als<br />

fadenscheinige Rechtfertigungen der Unkraft zu einem weithinaus<br />

und auf dunkle Gange gefaBten Denken miBbraucht<br />

worden. Oder zum mindesten hat man das »System« als Rahmengebilde<br />

abgelehnt zugunsten einer »Systematik«, die doch<br />

nur die erborgte Form des »wissenschaftlichen« Denkens fiir<br />

das philosophische darstellt.<br />

Wenn die »Entscheidung« gegen das »System« zu stehen<br />

kommt, dann ist das der Ubergang aus der Neuzeit in den anderen<br />

Anfang. Sofem das »System« die wesentliche Kennzeichnung<br />

der neuzeitlichen Seiendheit des Seienden enthalt (die<br />

Vorgestelltheit), die »Entscheidung« aber das Sein fiir das Seiende,<br />

nicht nur die Seiendheit aus dem Seienden her meint,<br />

dann ist in gewisser Weise die Ent-scheidung »systematischer«<br />

als jedes System, d. h. eine urspriingliche Bestimmung des<br />

Seienden als solchen aus dem Wesen des Seyns. Dann ist nicht<br />

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