Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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66 I. Vorblick<br />
30. Das anfiingliche Denken (als Besinnung) 67<br />
29. Vas anfiingliche Denken*<br />
(Die Frage nach dem Wesen)<br />
1m Bereich der Leitfrage ist die Auffassung des Wesens von der<br />
Seiendheit (ouota - XOLVOV) her bestimmt; und die Wesentlichkeit<br />
des Wesens liegt in seiner groBtmoglichen Allgemeinheit.<br />
Das besagt in der Gegenrichtung: das Einzelne und Mannigfaltige,<br />
was unter den Wesensbegriff riickt und von wo aus dieser<br />
angesetzt wird, ist beliebig; ja gerade die Beliebigkeit des Seienden,<br />
die dennoch und gerade die Zugehorigkeit zum Wesen<br />
anzeigt, ist wesentlich.<br />
Wo dagegen das Seyn als <strong>Ereignis</strong> begriffen wird, bestimmt<br />
sich die Wesentlichkeit aus der Urspriinglichkeit und Einzigkeit<br />
des Seyns selbst. Das Wesen ist nicht das Allgemeine, sondem<br />
die Wesung gerade der jeweiligen Einzigkeit und des<br />
Ranges des Seienden.<br />
Die Wesensfrage enthalt in sich das Entscheidungshafte, das<br />
jetzt von Grund aus die Seinsfrage durchherrscht.<br />
Entwurf ist Rangsetzung und Entscheidung.<br />
Der Grundsatz des anfanglichen Denkens lautet daher gedoppelt:<br />
alles Wesen ist Wesung.<br />
AIle Wesung bestimmt sich aus dem Wesentlichen im Sinne<br />
des Urspriinglich-Einzigen.<br />
30. Vas anfiingliche Venken<br />
(als Besinnung)<br />
ist als Vollzug und Bereitung des Anklangs und des Zuspiels<br />
wesentlich zuerst Dbergang und als solcher Unter-gang.<br />
1m Dbergang vollzieht sich die Besinnung, und Besinnung<br />
ist notwendig Selbst-besinnung. Dieses aber deutet darauf hin,<br />
daB dieses Denken doch auf uns selbst und somit den Menschen<br />
* vgl. in »Der Sprung": das Seyn des Wesens<br />
bezogen ist und eine neue Bestimmung des Wesens des Menschen<br />
verlangt. Sofem dieses neuzeitlich als BewuBtsein und<br />
SelbstbewuBtsein angesetzt ist, scheint die iibergangliche Besinnung<br />
eine neue Klarung des SelbstbewuBtseins werden zu<br />
miissen. Zumal wir uns aus dem heutigen Stande des SelbstbewuBtseins,<br />
das mehr eine Berechnung ist, nicht einfach heraussetzen<br />
konnen. Die Grunderfahrung des anfanglichen Denkens<br />
ist also doch das Seiende im Sinne des heutigen Menschen<br />
und seiner Lage und somit die »Reflexion« des Menschen auf<br />
»sich«.<br />
In dieser Dberlegung steckt Richtiges, und doch ist sie unwahr.<br />
Sofem die Geschichte und geschichtliche Besinnung den<br />
Menschen tragen und beherrschen, ist aIle Besinnung auch<br />
Selbstbesinnung. Allein, die im anfanglichen Denken zu vollziehende<br />
Besinnung nimmt nicht das Selbstsein des heutigen<br />
Menschen als gegeben, als unmittelbar zu erreichen im Vorstellen<br />
des »Ich« und des Wir und ihrer Lage. Denn gerade so<br />
wird die Selbstheit nicht gewonnen, sondem endgiiltig verloren<br />
und verstellt (vgl. Die Griindung, 197. Da-sein - Eigentum <br />
Selbstheit).<br />
Die Besinnung des anfanglichen Denkens ist vielmehr so<br />
urspriinglich, daB sie erst fragt, wie das Selbst zu begriinden<br />
sei, in dessen Bereich »wir«, ich und du, je zu uns selbst kommen.<br />
Also ist es fraglich, ob wir durch Reflexion auf »uns« uns<br />
selbst, unser Selbst finden, ob demzufolge der Da-seinsentwurf<br />
iiberhaupt mit Klarung des »Selbst«-bewuBtseins etwas zu tun<br />
hat.<br />
Nun ist es gar nicht ausgemacht, daB das »Selbst« auf dem<br />
Wege iiber die Ichvorstellung jemals bestimmbar sei. Vielmehr<br />
gilt es zu erkennen, daB Selbstheit erst entspringt aus der Griindung<br />
des Da-seins, diese aber sich vollzieht als Ereignung des<br />
Zugehorigen in den Zuruf. Somit entspringt die Offenheit und<br />
Griindung des Selbst aus der und als die Wahrheit des Seyns<br />
(vgl. Die Griindung, 197. Da-sein - Eigentum - Selbstheit).<br />
Nicht die anders gerichtete Zergliederung des Menschenwesens,