Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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52 I. Vorblick<br />
19. <strong>Philosophie</strong> (Zur Frage: wer sind wir?) 53<br />
Nur wer begreift, daB der Mensch geschichtlich sein Wesen<br />
griinden muB durch die Griindung des Da-seins, daB die Instandigkeit<br />
des Ausstehens des Da-seins nichts anderes ist als<br />
die Anwohnerschaft im Zeit-Raum jenes Geschehens, das sich<br />
als die Flucht der Gotter ereignet, nur wer schaffend die Bestiirzung<br />
und Beseligung des <strong>Ereignis</strong>ses in die Verhaltenheit<br />
als Grundstimmung <strong>zur</strong>iicknimmt, vermag das Wesen des<br />
Seins zu ahnen und in solcher Besinnung die Wahrheit fur das<br />
kiinftige Wahre vorzubereiten.<br />
Wer dieser Vorbereitung sich opfert, steht im Dbergang und<br />
muB weit vorausgegriffen haben und darf vom Heutigen, so<br />
unmittelbar dringlich dies sein mag, kein unmittelbares Verstehen,<br />
allenfaIls nur Widerstand erwarten.<br />
Die Besinnung als Selbst-besinnung, wie sie hier aus dem<br />
Fragen nach dem Wesen des Seyns notwendig wird, ist fern<br />
von jener clara et distincta perceptio, in der das ego aufgeht<br />
und gewiB wird. Weil erst die Selbstheit- die Augenblicksstatte<br />
des Zurufs und der Zugehorigkeit - <strong>zur</strong> Entscheidung gesteIlt<br />
werden muB, kann im Dbergang nicht begriffen werden, was<br />
auf ihn zukommt.<br />
AIle »Riickgriffe« auf Vergangenes bleiben unschopferisch,<br />
wenn sie nicht aus den auBersten Entscheidungen entspringen,<br />
sondem nur dazu dienen, durch moglichst viel Gemischtes solche<br />
zu umgehen.<br />
In der Besinnung und durch sie geschieht notwendig das<br />
Immer-noch-Andere, das zu bereiten es eigentlich gilt, das aber<br />
nicht die <strong>Ereignis</strong>statte fande, wenn nicht eine Lichtung ware<br />
fUr das Verborgene. Die <strong>Philosophie</strong> als Selbst-besinnung in<br />
der angezeigten Weise ist erst als anfangliches Denken des anderen<br />
Anfangs vollziehbar.<br />
Diese Selbst-besinnung hat allen »Subjektivismus« hinter<br />
sich, auch den, der sich am gefahrlichsten versteckt im Kult der<br />
»Personlichkeit«. Wo diese angesetzt ist und entsprechend in<br />
der Kunst das »Genie«, bewegt sich alles trotz der gegenteiligen<br />
Versicherungen in der Bahn des neuzeitlichen »Ich«- und Be<br />
wuBtseins-denkens. Ob man die Personlichkeit versteht als<br />
»Geist-Seele-Leib«-Einheit oder ob man dieses Gemengsel umkehrt<br />
und nur behauptungsweise den Leib zuerst setzt, andert<br />
nichts an der hier herrschenden Verwirrung des Denkens, das<br />
jeder Frage ausweicht. Der »Geist« wird dabei immer als »Vernunft«<br />
genommen, als das Vermogen des Ich-sagen-konnens.<br />
Hier war sogarKant schon weiter als dieser biologischeLiberalismus.<br />
Kant sah: Die Person ist mehr als »Ich«; sie griindet in der<br />
Selbst-gesetzgebung. Freilich auch dieses blieb Platonismus.<br />
Und will man etwa das Ich-Sagen biologisch begriinden?<br />
Wenn nicht, dann ist die Umkehrung doch nur eine Spielerei,<br />
was sie auch ohne dies bleibt, weil hier ungefragt die verhiillte<br />
Metaphysik von »Leib« und »Sinnlichkeit«, »Seele« und<br />
»Geist« vorausgesetzt bleibt.<br />
Selbst-besinnung als Begriindung der Selbstheit steht au<br />
Berhalb der genannten Lehren. Sie weiB allerdings, daB sich<br />
daran Wesentliches entscheidet, ob die Frage: wer wir sind?<br />
gefragt wird, oder ob sie nicht nur hintangehalten, sondem<br />
iiberhaupt als Frage geleugnet wird.<br />
Diese Frage nicht fragen wollen heiEt: entweder vor der<br />
fraglichen Wahrheit iiber den Menschen ausweichen oder aber<br />
die Dberzeugung verbreiten, es sei in aIle Ewigkeit entschieden,<br />
wer wir sind.<br />
Geschieht das letztere, dann werden aIle Erfahrungen und<br />
Leistungen nur als Ausdruck des seiner »selbst« gewissen »Lebens«<br />
vollzogen und daher fiir organisierbar gehalten. Grundsatzlich<br />
gibt es keine Erfahrung, die jemals den Menschen iiber<br />
sich selbst hinaus setzte in einen unbetretenen Bereich, aus dem<br />
her der bisherige Mensch fraglich werden konnte. Das ist, namlich<br />
jene Selbstsicherheit, das innerste Wesen des »Liberalismus«,<br />
der gerade deshalb dem Anschein nach sich frei entfalten<br />
und dem Fortschritt in aIle Ewigkeit sich verschreiben kann.<br />
Daher sind»Weltanschauung«, »Personlichkeit«, »Genie« und<br />
»Kultur« die Ausstattungsstiicke und die»Werte«, die es so<br />
oder so zu verwirklichen gilt.