Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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502 VIII. Das Seyn<br />
gesagt werden kann, daB sie durchaus unwahr sei, zumal sie<br />
doch, wenngleich verhiillt, gerade die Sprache in ihrem Bezug<br />
zum Sein (zum Seienden als solchem und zu dem das Seiende<br />
vorstellenden, denkenden, Menschen) im Blick hat. Nachst dem<br />
Aussagecharakter der Sprache (Aussage im weitesten Sinn genommen,<br />
daB die Sprache, das Gesagte und Ungesagte, etwas<br />
(Seiendes) meint, vorstellt, vorstellend gestaltet oder verdeckt<br />
u.s.f.) ist die Sprache als Besitztum und Werkzeug des Menschen<br />
und »Werk« zugleich bekannt. Dieser Zusammenhang<br />
der Sprache mit dem Menschen aber gilt als so innig, daB sogar<br />
die Grundbestimmungen des Menschen selbst (als animal<br />
rationale wiederum) dazu auserwiihlt werden, um die Sprache<br />
zu kennzeichnen. Das leiblich-seelisch-geistige Wesen des<br />
Menschen wird in der Sprache wiedergefunden: der Sprach<br />
(Wort)-Leib, die Sprach-Seele (Stimmung und Gefiihlston und<br />
dergleichen) und der Sprach-Geist (das Gedachte-Vorgestellte)<br />
sind geliiufige Bestimmungen aller Sprachphilosophie. Diese<br />
Auslegung der Sprache, man konnte sie die anthropologische<br />
nennen, gipfelt darin, in der Sprache selbst ein Symbol des<br />
Menschenwesens zu sehen. Wenn hier die Fragwiirdigkeit des<br />
Symbolgedankens (ein echter SproB der in der Metaphysik<br />
waltenden Verlegenheit zum Seyn) <strong>zur</strong>iickgestellt wird, miiBte<br />
demgemaB der Mensch als jenes Wesen begriffen werden, das<br />
in seinem eigenen Symbol sein Wesen hat bzw. im Besitz dieses<br />
Symbols (Myov EXOV). Offen bleibe, wie weit diese metaphysisch<br />
zu Ende gedachte symbolhafte Deutung der Sprache im<br />
seinsgeschichtlichen Denken iiber sich hinausgefiihrt werden<br />
kann und dabei ein Fruchtbares erwiichst. Unleugbar ist mit<br />
dem, was in der Sprache den Anhalt dafiir gibt, daB sie als<br />
Symbol des Menschen gefaBt werden kann, etwas getroffen,<br />
was der Sprache doch irgendwie eignet: der Wortlaut und<br />
Schall, die Wortstimmung und die Wortbedeutung, wobei wir<br />
aber schon wieder im Gesichtskreis der aus der Metaphysik<br />
entspringenden Hinsichten auf das Sinnliche, Unsinnliche und<br />
Dbersinnliche denken, auch dann, wenn wir mit»Wort« nicht<br />
277. Die »Metaphysik« und der Ursprung des Kunstwerks 503<br />
die einzelnen Worter meinen, sondern das Sagen und Verschweigen<br />
des Gesagten und Ungesagten und dieses selbst. Der<br />
Wortschalllii13t sich auf anatomisch-physiologische Beschaffenheiten<br />
des Menschenleibes <strong>zur</strong>iickfiihren und daraus erklaren<br />
(Phonetik - Akustik). Desgleichen ist die Wortstimmung und<br />
Wortmelodie und die Gefiihlsbetontheit des Sagens Gegenstand<br />
der psychologischen Erklarung, und die Wortbedeutung<br />
ist Sache der logisch-poetisch-rhetorischen Zergliederung. Die<br />
Abhangigkeit dieser Erklarung und Zergliederung der Sprache<br />
von der Art der Auffassung des Menschen ist offenkundig.<br />
Wenn nun aber mit der Dberwindung der Metaphysik auch<br />
die Anthropologie zu Fall kommt, wenn das Wesen des Menschen<br />
vom Seyn her bestimmt wird, dann kann jene anthropologische<br />
Erklarung der Sprache nicht mehr maBgebend bleiben;<br />
sie hat ihren Grund verloren. Aber dennoch, ja sogar jetzt<br />
erst in voller Macht bleibt Jenes, was als Leib, als Seele, als<br />
Geist der Sprache an dieser aufgegriffen wurde. Was ist das?<br />
Konnen wir jetzt nicht einfach, entsprechend seinsgeschichtlich<br />
denkend, so verfahren, daB wir das Wesen der Sprache aus der<br />
seinsgeschichtlichen Bestimmung des Menschen deuten? Nein;<br />
denn damit bleiben wir immer noch im Symbolgedanken stek<br />
./<br />
ken; vor allem aber ware nicht ernstgemacht mit der Aufgabe,<br />
aus der Wesung des Seyns selbst den Ursprung der Sprache zu<br />
ersehen.<br />
277. Die »Metaphysik« und der Ursprung des Kunstwerks<br />
Die Frage nach dem Ursprung des Kunstwerks will nicht auf<br />
eine zeitlos giiltige Feststellung des Wesens des Kunstwerks<br />
hinaus, die zugleich als Leitfaden <strong>zur</strong> historisch riickblickenden<br />
Erkliirung der Geschichte der Kunst dienen konnte. Die Frage<br />
steht im innersten Zusammenhang mit der Aufgabe der Dberwindung<br />
der Aesthetik und d. h. zugleich einer bestimmten<br />
Auffassung des Seienden als des gegenstiindlich Vorstellbaren.<br />
Die Dberwindung der Aesthetik wiederum ergibt sich als not