Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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178 III. Das Zuspiel<br />
90. <strong>Vom</strong> ersten zum anderen Anfang.<br />
Die Vemeinung<br />
Wie wenige verstehen und wie selten begreifen diese Verstehenden<br />
die »Negation«. Man sieht in ihr sogleich und nur die<br />
Abweisung, die Wegsetzung, die Herabsetzung und gar die<br />
Zersetzung. Diese Gestalten der Vemeinung machen sich nicht<br />
nur haufig breit, sie sind es auch, die der gelaufigen Vorstellung<br />
vom »Nein« am unmittelbarsten entgegenkommen. So<br />
bleibt der Gedanke an die Moglichkeit aus, die Vemeinung<br />
konnte gar noch tieferen Wesens sein als das »Ja«; zumal da<br />
man auch das Ja sogleich im Sinne jeder Art von Zustimmung<br />
nimmt, so vordergriindlich wie das Nein.<br />
Aber ist das Zustimmen und Ablehnen im Bereich des VorsteIlens<br />
und vorsteIlenden»Wertens« die einzige Form des Ja<br />
und Nein? 1st iiberhaupt jener Bereich der einzige und wesentliche<br />
oder nicht vielmehr wie aIle Richtigkeit herkiinftig aus<br />
urspriinglicherer Wahrheit? Und ist am Ende nicht das J a und<br />
Nein und dieses noch urspriinglicher als jenes ein Wesensbesitz<br />
des Seins selbst?<br />
Wie aber, muB dann nicht das »Nein« (und das Ja) seine<br />
wesentliche Gestalt in dem vom Seyn gebrauchten Da-sein haben?<br />
Das Nein ist der groBe Ab-sprung, in dem das Da- im Da<br />
-sein ersprungen wird. Der Ab-sprung, der sowohl das, wovon<br />
er ab-springt, »bejaht«, der aber auch selbst als Sprung nichts<br />
Nichtiges hat. Der Absprung selbst iibemimmt erst die Erspringung<br />
des Sprungs, und so iiberholt hier das Nein das<br />
Ja. Aber deshalb ist dieses Nein, auBerlich gesehen: die Ab<br />
-setzung des anderen Anfangs gegen den ersten, niemals<br />
»Vemeinung« im gewohnlichen Sinne der Abweisung und gar<br />
Herabsetzung. Vielmehr ist diese urspriingliche Vemeinung<br />
von der Art jener Verweigerung, die sich ein Nochmitgehen<br />
versagt aus dem Wissen und der Anerkennung der Einzigartigkeit<br />
dessen, was in seinem Ende den anderen Anfang<br />
fordert.<br />
91. <strong>Vom</strong> ersten zum anderen Anfang<br />
179<br />
Solche Vemeinung freilich geniigt sich nicht mit dem Absprung,<br />
der nur hinter sich laBt, sondern sie entfaltet sich selbst,<br />
indem sie den ersten Anfang und seine anfangliche Geschichte<br />
freilegt und das Freigelegte <strong>zur</strong>iicklegt in das Besitztum des<br />
Anfangs, wo es, hinterlegt, aIles auch jetzt und kiinftig noch<br />
iiber-ragt, was einstmals in seinem Gefolge sich ergab und zum<br />
Gegenstand der historischen Verrechnung wurde. Dieses Erbauen<br />
des Ragenden des ersten Anfangs ist der Sinn der »Destruktion«<br />
im Dbergang zum anderen Anfang.<br />
91. <strong>Vom</strong> ersten zum anderen Anfang*<br />
Der erste Anfang erfahrt und setzt die Wahrheit des Seienden,<br />
ohne nach der Wahrheit als solcher zu fragen, weil das in ihr<br />
Unverborgene, das Seiende als Seiendes, notwendig aIles iibermachtigt,<br />
weil es auch das Nichts verschlingt und als »Nicht«<br />
und Gegen in sich einbezieht oder ganz vemichtet.<br />
Der andere Anfang erfahrt die Wahrheit des Seyns und<br />
fragt nach dem Seyn der Wahrheit, um so erst die Wesung des<br />
Seyns zu griinden und das Seiende als das Wahre jener urspriinglichen<br />
Wahrheit entspringen zu lassen.<br />
Jedesmal ist im Anfanglichen dieser Anfange, und zwar<br />
ganz verschieden, alles SchulmaBige unmoglich und das Dbergangliche<br />
der eigentliche Kampf. Aber jedesmal besteht auch<br />
die Gefahr, daB, woimmer aus dem Anfang ein Beginn und<br />
Fortgang wird, diese sich als MaBstabliches <strong>zur</strong> Geltung bringen,<br />
von dem aus das Anfangliche nicht nur abgeschatzt, sondem<br />
auch ausgelegt wird.<br />
Aus dem ersten Anfang beginnt sich das Denken zunachst<br />
unausgesprochen und dann eigens so gefaBt als Frage: was ist<br />
das Seiende? zu verfestigen (die Leitfrage der damit beginnenden<br />
abendlandischen »Metaphysik«). Aber irrig ware die<br />
Meinung, die diese Leitfrage im ersten Anfang und als Anfang<br />
* vgl. Der Sprung, 130. Das »Wesen« des Seyns, 132. Seyn und Seiendes