Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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492 VIII. Das Seyn<br />
27J. Geschichte<br />
493<br />
6. Der Mensch weder »Subjekt« noch »Objekt« der »Geschichte«,<br />
sondern nur der von der Geschichte (<strong>Ereignis</strong>) Angewehte<br />
und in das Seyn Mitgerissene, dem Seyn Zugehorige.<br />
Zuruf der Notschaft, Dberantwortung in die Wiichterschaft.<br />
7. Der Mensch als der im ausgetragenen Loswurf Fremde, der<br />
aus dem Ab-grund nicht mehr <strong>zur</strong>iiekkehrt und in dieser<br />
Fremde die ferne Nachbarschaft zum Seyn behalt.<br />
273. Geschichte<br />
Bisher war der Mensch noch niemals geschichtlich. Wohl dagegen<br />
»hatte« und »hat« er eine Geschichte. Allein, dieses<br />
Geschichte-Haben verrat sogleich die Art von »Geschichte«, die<br />
hier einzig gemeint ist. Die Geschichte ist iiberall vom »Historischen«<br />
her bestimmt, auch dort, wo man meint, die geschichtliche<br />
Wirklichkeit selbst zu fassen und im Wesen zu umgrenzen;<br />
das geschieht z. T. »ontologisch«: die gesclUchtliche Wirklichkeit<br />
als Werde-Wirklichkeit, z. T. »erkenntnistheoretisch«:<br />
die Geschichte als das feststellbare Vergangene. Beide Auslegungen<br />
sind abhangig von dem, was »Ontologie« und »Erkenntnistheorie«<br />
moglich machte, d. h. von der Metaphysik.<br />
Hier sind auch die Voraussetzungen fiir die Historie zu suchen.<br />
Soll aber der Mensch geschichtlich sein und soll das Wesen<br />
der Geschichte ins Wissen kommen, dann muB zumal das Wesen<br />
des Menschen fraglich und das Sein fragwiirdig, erstmals<br />
fragwiirdig werden. Nur im Wesen des Seyns selbst und d. h.<br />
zugleich in seinem Bezug zum Menschen, der solchem Bezug<br />
gewachsen ist, kann die Geschichte gegriindet sein.<br />
Ob freilich der Mensch die Geschichte erreicht und ob deren<br />
Wesen iiber das Seiende kommt, ob die Historie vernidltet<br />
werden kann, dies laBt sich nicht errechnen; das steht beim<br />
Seyn selbst.<br />
Schon fiir die erste Aufhellung dieser Fragen legt sich die<br />
Hauptschwierigkeit in den Weg, daB wir uns von der Historie<br />
kaum los zu machen vermogen, zumal wir schon gar nicht mehr<br />
iibersehen, wie weit die Historie, in mannigfachen versteckten<br />
Formen, das menschliche Sein beherrscht. Die »Neuzeit« bringt<br />
nicht zufallig die Historie <strong>zur</strong> eigentlichen Herrschaft. Diese<br />
erstreckt sich heute, im Beginn des entscheidenden Abschnitts<br />
der Neuzeit, schon so weit, daB durch die von der Historie bestimmte<br />
Geschichtsauffassung die Geschichte in das Geschichtslose<br />
abgedrangt und daB dort ihr Wesen gesucht wird. Blut<br />
und Rasse werden zu Tragern der Geschichte. Die Praehistorie<br />
gibt der Historie den nun giiltigen Charakter. Die Art, wie der<br />
Mensch sich selbst betreibt und berechnet, in Szene und in die<br />
Vergleichung setzt, die Art, wie er das Vergangene sich als<br />
Hintergrund seiner Gegenwartigkeit <strong>zur</strong>echtstellt, die Weise,<br />
wie er diese Gegenwart zu einer Ewigkeit ausspreizt, all dieses<br />
zeigt das Vorwalten der Historie.<br />
Was ist aber hier mit Historie gemeint? Das feststellende<br />
ErkHiren des Vergangenen aus dem Gesichtskreis der berechnenden<br />
Betreibungen der Gegenwart. Das Seiende ist hierbei<br />
vorausgesetzt als das Bestell-, Herstell- und Feststellbare<br />
(lMa).<br />
Das Fest-stellen dient einem Behalten, das nicht so sehr das<br />
Vergangene nicht entgleiten lassen will, als vielmehr das Gegenwiirtige<br />
als das Vorhandene verewigen will. Verewigung<br />
ist immer als Strebnis die Folge der Herrschaft der Historie, ist<br />
die anscheinend der Geschichte verschriebene Flucht vor der<br />
Geschichte. Ver-ewigung ist das Nicht-von-sich-(als einem Vorhandenen)-Loskommen<br />
einer geschichtsfernen Gegenwart.<br />
Historie ist als dieses Fest-stellen ein standiges Vergleichen,<br />
das Herbeiholen des Anderen, darin man sich als das Weitergekommene<br />
spiegelt; ein Vergleichen, das von sich weg denkt,<br />
weil es nicht mit sich selbst fertig wird.<br />
Die Historie verbreitet eine Tiiuschung der volligen Beherrschbarkeit<br />
alles Wirklichen, sofern sie an allem Oberflachlichen<br />
entlang tragt und die OberJ:1iiche selbst verschiebt als die<br />
einzig geniigende Wirklichkeit. Die in der Historie angelegte<br />
....,