23.11.2013 Aufrufe

Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

I<br />

156<br />

II. Der Anklang<br />

volkische Indienstnahme solches iiberfliissig macht, sodann<br />

aber, weil der Wissenschaftsbetrieb selbst ohne das »Universitare«,<br />

d. h. hier einfach ohne den Willen <strong>zur</strong> Besinnung,<br />

weit sicherer und bequemer in Gang zu halten ist.<br />

Die <strong>Philosophie</strong>, hier nur verstanden als denkende Besinnung<br />

auf die Wahrheit und d. h. Fragwiirdigkeit des Seyns,<br />

nicht als historische und »Systeme« anfertigende Gelehrsamkeit,<br />

hat an der »Universitat« und vollends in der Betriebsanstalt,<br />

die sie werden wird, keinen Ort. Denn sie<br />

»hat« iiberhaupt nirgendwo einen solchen, es sei denn<br />

jenen, den sie selbst griindet, zu dem aber kein Weg von<br />

irgend einer festen Einrichtung aus unmittelbar hinzufiihren<br />

vermag.<br />

g1. Die vorstehende Kennzeichnung der »Wissenschaft« entspringt<br />

nicht einer Gegnerschaft gegen sie, weil eine solche<br />

iiberhaupt nicht moglich ist. Die»Wissenschaft« hat in sich<br />

bei all ihrer heutigen riesenhaften Ausdehnung und Erfolgssicherheit<br />

und Behabigkeit gar nicht die Voraussetzungen<br />

eines wesentlichen Ranges, aufgrund dessen sie je in<br />

einen Gegensatz zum Wissen des Denkens geriickt werden<br />

konnte. Die <strong>Philosophie</strong> ist weder gegen noch fUr die Wissenschaft,<br />

sondern iiberlaBt sie ihrer eigenen Sucht nach<br />

ihrem eigenen Nutzen, immer brauchbarere Ergebnisse<br />

immer handlicher und schneller sicherzustellen und so das<br />

Brauchen: und Bediirfen immer unlosbarer in die Abhangigkeit<br />

von den jeweiligen Ergebnissen und ihrer Ubertreffung<br />

einzuhenken.<br />

gg. Kommt es, wie es kommen muB, <strong>zur</strong> Anerkennung des vorbestimmten<br />

Wesens der neuzeitlichen Wissenschaft, ihres<br />

reinen und notwendig dienstbaren Betriebscharakters und<br />

der hierzu benotigten Einrichtungen, dann muB im Gesichtskreis<br />

dieser Anerkennung kiinftig ein riesiger Fortschritt<br />

der Wissenschaften zu erwarten, ja sogar zu errechnen<br />

sein. Diese Fortschritte werden die Ausbeutung und<br />

Nutzung der Erde, die Ziichtung und Abrichtung des Men­<br />

76. Siitze ilber »die Wissenschaft« 157<br />

schen in heute noch unvorstellbare Zustande bringen, deren<br />

Eintritt durch keine romantische Erinnerung an Friiheres<br />

und Anderes verhindert oder auch nur aufgehalten werden<br />

kann. Aber diese Fortschritte werden auch immer seltener<br />

noch als ein Uberraschendes und Auffalliges, etwa als Kulturleistungen,<br />

verzeichnet werden, sondern reihenweise und<br />

gleichsam als Geschaftsgeheimnisse erfolgen und verbraucht<br />

und in ihren Ergebnissen vertrieben werden. Erst wenn die<br />

Wissenschaft diese betriebsmaBige Unauffalligkeit des Abrollens<br />

erreicht hat, ist sie dort, wo sie selbst hintreibt: sie<br />

lost sich dann in die Auflosung alles Seienden selbst mit<br />

auf. 1m Ausblick auf dieses Ende, das ein sehr dauerhafter<br />

Endzustand sein wird, der immer wie ein Anfang aussieht,<br />

steht die Wissenschaft heute in ihrem besten Beginn. Nur<br />

Blinde und Narren werden heute yom »Ende« der Wissenschaft<br />

reden.<br />

g3. Die »Wissenschaft« betreibt so die Sicherstellung des Zustandes<br />

einer volligen Bediirfnislosigkeit im Wissen und<br />

bleibt deshalb im Zeitalter der volligen Fraglosigkeit stets<br />

das »Modernste«. AIle Zwecke und Nutzen stehen fest, aIle<br />

Mittel sind <strong>zur</strong> Hand, jede NutznieBung ist ausfiihrbar, es<br />

gilt nur noch, Gradunterschiede der Verfeinerung zu iiberwinden<br />

und den Ergebnissen die groBtmogliche Breite der<br />

leichtesten Nutzung zu verschaffen. Das verborgene Ziel,<br />

dem all dieses und anderes zueilt, ohne das Geringste davon<br />

zu ahnen und ahnen zu konnen, ist der Zustand der volligen<br />

Langeweile (vgl. Vorlesung 1999/30*) im Umkreis der<br />

eigensten Errungenschaften, die eines Tages selbst den Charakter<br />

der Langweiligkeit nicht mehr verbergen konnen,<br />

falls dann noch ein Rest von Wissenskraft geblieben ist, urn<br />

mindestens in diesem Zustand zu erschrecken und ihn selbst<br />

und die darin gahnende Seinsverlassenheit des Seienden zu<br />

enthiillen.<br />

* Wintersemester 1929/30 »Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt ­<br />

Endlichkeit - Einsamkeit« (Gesamtausgabe Band 29/30)<br />

1 _

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!