Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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446 VIII. Vas Seyn<br />
Die Besinnung muB darauf stoBen, daB die bereits in die<br />
vollige Harmlosigkeit gerettete Gleichgiiltigkeit gegeniiber<br />
dem Sein, die in der »Ontologie« ihre schulmiiBige »Reprasentation«<br />
erhiilt, nichts Geringeres ist als die iiuBerste Steigerung<br />
der Macht der Berechnung. Hier ist die gleichgiiltigste und<br />
blindeste Verleugnung des Unberechenbaren an der Arbeit.<br />
Dieses aber nimmt die Besinnung nicht als einen »Fehler«<br />
und ein »Versaumnis«, das nur zu tadeln bliebe, sondem als<br />
Geschichte, deren »Wirklichkeit« alles sonst »Wirkliche« wesentlich<br />
iibertrifft; weshalb diese Geschichte von den Wenigsten<br />
erkannt und unter diesen nur von den Seltensten begriffen<br />
wird als das bereits sich offnende <strong>Ereignis</strong>, in dem das Seiende<br />
im Ganzen <strong>zur</strong> Entscheidung seiner Wahrheit kommt.<br />
Vorkommnisse im Seienden vermogen nicht, und schon gar<br />
nicht den neuzeitlichen Menschen, in den Bereich der Wahrheit<br />
des Seyns zu bringen. Was aber ist wesentlicher, als den Zustand<br />
der abendlandischen Geschichte zu erblicken, in dem wir<br />
bereits als dem entscheidenden stehen und den wir durch die<br />
Entscheidungslosigkeit jenes gleichgiiltigen Meinens nicht etwa<br />
nur verdecken, sondem in seiner Entscheidungstriichtigkeit<br />
dahin steigem, daB Besinnung oder Nichtbesinnung schon mit<br />
in die Entscheidung fallen und gar nicht mehr als Formen<br />
einer zufiilligen, dazu kommenden oder wegbleibenden Beobachtung<br />
gelten konnen.<br />
Hier ist die Stelle, wo das Seyn selbst kraft seiner Geschichte<br />
das Wissen vom Sein in die Not einer Entscheidungsnotwendigkeit<br />
notigt und von ihm fordert, iiber sich selbst im klaren<br />
zu sein dariiber, was in ihm als »Entwurf« des Seins geschehe.<br />
262. Der »Entwurf« des Seyns und das Seyn als Entwurf<br />
Der denkerische Einsprung »in« die Wahrheit des Seyns muB<br />
zugleich das Wesen der Wahrheit erspringen, im Wurf eines<br />
Entwurfs sich fest-stellen und instandig werden.<br />
262. Ver »Entwurf« des Seyns und das Seyn als Entwurf 447<br />
Fiir das Erfahren des Seienden und die Bergung seiner<br />
Wahrheit ist der »Entwurf« nur das Vorliiufige, was alsdann<br />
iibergangen wird im Fortgehen zu dem, was im EntWtirfsbereich<br />
erbaubar und verwahrbar wird und als Verwahrung<br />
das Siegel des Seyns empfiingt.<br />
1m denkerischen Wissen ist der Entwurf nicht das Vorliiufige<br />
fur anderes, sondem das Einzige und Letzte und deshalb Seltenste,<br />
was in sich west als gegriindete Wahrheit des Seyns.<br />
Hier ist der Entwurf nichts, was gleichsam nur »iiber« das<br />
Seiende gelegt, keine »Perspektive«, die ihm nur angetragen<br />
wird. Denn jede Per-spektive nimmt schon das Durchgangige<br />
fiir ihre Blickbahn in Anspruch. Und eben dies, daB zuvor und<br />
alles entscheidend ein Durchrif3 das sprengt, was dann erst ins<br />
Offene als ein »Seiendes« sich kiindet, daB eine Irrnis lichtend<br />
alles in sich reiBt <strong>zur</strong> Moglichkeit des Wahren, dies ist es, was<br />
der denkerische Entwurf des Seyns zu vollbringen hat. »Vollbringen«?<br />
GewiB, aber kein Machen und kein Er-sinnen nach<br />
der Bedeutung eines ungebundenen Ausdenkens.<br />
Der Entwurf des Seyns kann nur vom Seyn selbst geworfen<br />
werden, und dazu muB ein Augenbliek dessen gliicken, was das<br />
Seyn als Er-eignis er-eignet, des Da-seins.<br />
Das denkerische Erfragen als der handelnde, der Verweigerung<br />
sich zuhaltende und sie so ins Lichte nehmende Verzicht. ...,<br />
Wer jemals der Geschichte des Seyns unter die Augen gehen<br />
will und erfahren solI, wie das Seyn in seinem eigenen Wesensraum<br />
ausbleibt und diesen lange dem Unwesen iiberlaBt, das<br />
die Ausbreitung des »Seienden« vor sich her treibt, urn sogar<br />
das Un-wesen noch dem Wesen, dem es ja zugehort, zu bewahren,<br />
muB zuerst begreifen konnen, daB Entwiirfe in das geworfen<br />
werden, was dank ihrer Lichtung nachmals zum Seienden<br />
wird und sogar das Seyn nur noch wie einen N achtrag zu ihm,<br />
den die »Abstraktion« ersonnen, duldet.<br />
Diese Entwiirfe denken wir uns nach einer naheliegenden<br />
Gewohnheit als Formen des Vorstellens, die das Begegnen von<br />
Gegenstanden ermoglichen: die transzendentale Bedingung