Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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136 II. Der Anklang<br />
70. Das Riesenhafte<br />
137<br />
der vorgreifend-planend-einrichtenden Erfassung von allem,<br />
bevor es schon im Besonderen und Einzelnen gefaBt ist, dieses<br />
Vor-stellen findet am Gegebenen keine Grenze und will keine<br />
Grenze finden, sondern das Grenzenlose ist entscheidend, aber<br />
nicht als das VerflieBende und bloBe Und-so-weiter, sondern<br />
das an keine Grenze des Gegebenen, an kein Gegebenes und<br />
Gebbares als Grenze Gebundene. Es gibt grundsatzlich nicht<br />
das »Un-mogliche«; man »haBt« dieses Wort, d. h. Alles ist<br />
menschen-moglich, wenn nur Alles in jeder Hinsicht und dieses<br />
wiederum im voraus in Rechnung gestellt und die Bedingungen<br />
beigebracht werden.<br />
Schon hieraus wird klar, daB es sich gar nicht um einen Umschlag<br />
des »Quantitativen« in ein Qualitatives handelt, sondern<br />
darum, das urspriingliche Wesen des Quantitativen und der<br />
Moglichkeit seiner Vor-stellung (die Berechenbarkeit) im Wesen<br />
der Herrschaft der V or-stellung als solcher und der Vergegenstiindlichung<br />
des Seienden zu erkennen.<br />
Von hier aus wird wieder klar, daB diejenigen, die das Entfalten<br />
der Vor-stellung (der Welt als Bild) vollziehen, kraft<br />
ihres »SelbstbewuBtseins« nichts von diesem Wesen des Quantitativen<br />
wissen und daher auch nichts von der Geschichte, die<br />
seine Herrschaft vorbereitet und vollendet.<br />
Und schon gar nichts davon, daB die Seinsverlassenheit des<br />
Seienden im Riesenhaften als solchem, d. h. im Schein dessen,<br />
was alles Seiende am seiendsten sein laBt, sich vollendet.<br />
Das »Quantitative« wird quantitativ behandelt, d. h. berechnet,<br />
aber es wird zugleich gesagt, es sei durch bestimmte Prinzipien<br />
in seine Grenzen gesetzt und gebandigt.<br />
Daher kommt es, daB man auch heute noch und heute mehr<br />
als vordem Raum und Zeit nicht anders begreifen kann als<br />
quantitativ, hochstens als Formen dieser Quantitaten. Und gar<br />
den Zeit-Raum zu denken als etwas vollig Unquantitatives<br />
wirkt als befremdliche Zumutung. Man hilft sich heraus mit<br />
dem Hinweis darauf, daB hier dann der Name »Zeit« z. B. auf<br />
etwas Anderes iibertragen werde.<br />
Das Quantitative (quantitas) kann als Kategorie aufkommen,<br />
weil es im Grunde das Wesen (Un-wesen) des Seyns selbst<br />
ist, aber dieses zunachst nur in der Seiendheit des Seienden als<br />
des Anwesend-Bestandigen gesucht wird.<br />
Das Quantitative wird <strong>zur</strong> Qualitat, hellit daher: das Un<br />
-wesen des Seyns wird in seiner Wesenszugehorigkeit zum Wesen<br />
des Seyns zwar nicht erkannt, aber diese Erkennbarkeit<br />
wird vorbereitet durch das seinsgeschichtliche Wissen, daB das<br />
Quantitative alles Seiende beherrscht. DaB es gleichwohl nicht<br />
als das Seyn zum Vorschein kommt, hat darin seinen Grund,<br />
daB das Vor-steUen, worin das Wesen des Quantitativen gegriindet<br />
ist, als solches zugleich und stets sich an das Seiende<br />
halt und sich gegen das Seyn abriegelt oder, was dasselbe ist,<br />
es hochstens als das Generellste (des Vorstellens), als das Leerste<br />
»gelten« laBt.<br />
Vor allem aber ist, geschichtlich begriffen, das Riesenhafte<br />
als solches das Unberechenbare, dieses aber die aus der iibernahen<br />
Nahe unfaBliche Ankiindigung des Seyns selbst, aber<br />
in der Gestalt der Notlosigkeit der Not.<br />
Warum das Riesenhafte nicht den Uberfluf3 kennt? Weil es<br />
aus der Verheimlichung eines Mangels entspringt und diese<br />
Verheimlichung in den Schein einer ungehemmten Veroffentlichung<br />
eines Besitzes stellt. Weil das Riesenhafte nie den Dber<br />
-fluB, das un-erschopfliche Unerschopfte kennt, deshalb muB<br />
ibm auch das Einfache versagt bleiben. Denn die wesentliche<br />
Einfachheit entspringt aus der Fiille und ihrer Beherrschung.<br />
Die »Einfachheit« des Riesenhaften ist nur ein Schein, der die<br />
Leere verstecken solI. Aber in der Einrichtung all dieser Scheinbarkeiten<br />
ist das Riesige eigenen Wesens und einzig.