Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) - gesamtausgabe
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460 VIII. Das Seyn<br />
265. Das Er-denken des Seyns<br />
461<br />
im Bezug zum Vielen als dem Auftretenden, Hervorgehenden<br />
(Werdenden) und dem Abtretenden, dem Vergehenden (her<br />
-wesend und ab-wesend in der Anwesenheit selbst: Anaximander,<br />
Heraklit, Parmenides). Yom anderen Anfang her kann<br />
auch und muB jene unerschiitterte und nie befragte Bestimmung<br />
des Seins (die Einheit) noch ein Fragwiirdiges werden,<br />
und dann weist die Einheit <strong>zur</strong>iick. in die »Zeit« (die abgriindige<br />
Zeit des Zeit-Raums). Dann aber zeigt sich auch, daB mit<br />
dem Vorrang der Anwesenheit (Gegenwart), worin die Einheit<br />
gegriindet ist, sich etwas entschieden hat, daf3 in diesem Selbstverstiindlichsten<br />
die befremdlichste Entscheidung verborgen<br />
liegt; daB dieser Entscheidungscharakter gar <strong>zur</strong> Wesung des<br />
Seyns gehort und den Wink gibt auf die jeweilige Einzigkeit<br />
und urspriinglichste Geschichtlichkeit des Seyns selbst.<br />
Hieraus konnen wir, auch schon bei einem ungefahren Wissen<br />
von der Geschichte des Seyns, entnehmen, daB das Seyn<br />
gerade niemals endgiiltig und deshalb auch nie nur »vorHiufig«<br />
sagbar ist, wie es jene Auslegung (die das Seyn zum Allgemeinsten<br />
und Leersten macht) vortauschen mochte.<br />
DaB das Wesen des Seyns nie endgiiltig sagbar ist, bedeutet<br />
keinen Mangel, im Gegenteil: das nichtendgiiltige VVissen halt<br />
den Abgrund und damit das Wesen des Seyns gerade fest. Dieses<br />
Festhalten des Abgrundes gehort zum Wesen des Da-seins<br />
als der Griindung der Wahrheit des Seyns.<br />
Festhalten des Abgrundes ist zugleich das Einspringen in die<br />
Wesung des Seyns dergestalt, daB dieses selbst seine Wesensmacht<br />
entfaltet als das Er-eignis, als das Zwischen fiir die Notschaft<br />
des Gottes und die Wachterschaft des Menschen.<br />
Das Er-denken des Seyns, die Nennung seines Wesens, ist<br />
nichts anderes als das Wagnis, den Gottern hinaus zu helfen in<br />
das Seyn und dem Menschen bereit zu stellen die Wahrheit des<br />
Wahren.<br />
Mit dieser »Definition« des Denkens durch das, was es<br />
»denkt«, ist die vollige Abkehr von aller »logischen« Auslegung<br />
des Denkens vollwgen. Denn dies ist eines der groBten<br />
Vorurteile der abendliindischen <strong>Philosophie</strong>: das Denken miisse<br />
»logisch«, d. h. im Hinblick auf die Aussage bestimmt werden<br />
(die »psychologische« Erldarung des Denkens ist ja nur ein Anhang<br />
<strong>zur</strong> »logischen« und setzt diese voraus, auch dort, wo sie<br />
meint, die logische ersetzen zu konnen; »psychologisch« steht<br />
hier fiir biologisch-anthropologisch). Eine Kehrseite jenes Vorurteils<br />
aber ist auch nur, wenn man nun bei der Ablehnung<br />
der »logischen« Auslegung des Denkens (d. h. des Bezugs zum<br />
Sein; vgl. »Was ist Metaphysik?«) von der Angst oder besser<br />
Furcht befallen wird, es werde nun die Strenge und der Ernst<br />
des Denkens gefiihrdet und alles dem Gefiihl und seinem »Urteil«<br />
anheimgestellt. Wer sagt denn und wer hat je bewiesen,<br />
daB das logisch gemeinte Denken das »strenge« sei? Das gilt<br />
ja, wenn es iiberhaupt gilt, nur unter der Voraussetzung, daB<br />
die logische Auslegung des Seins die einzig mogliche sein<br />
konne; was aber erst recht ein Vorurteil ist. Vielleicht ist im<br />
Hinblick auf das Wesen des Seyns gerade die »Logik« das am<br />
wenigsten strenge und ernste Verfahren der Wesensbestimmung<br />
und nur ein Schein, der freilich noch tieferen Wesens ist<br />
als der »dialektische Schein«, den Kant im Bereich der moglichen<br />
VergegensUindlichung des Seienden im Ganzen sichtbar<br />
gemacht hat. Die »Logik« selbst ist mit Bezug auf die Wesensgriindung<br />
der Wahrheit des Seyns ein Schein, aber der notwendigste<br />
Schein, den die Geschichte des Seyns bis jetzt kennt.<br />
Das Wesen der »Logik« selbst, die ihre hochste Gestalt in Begels<br />
Metaphysik erreicht hat, liiBt sich erst aus dem anderen<br />
Anfang des Denkens des Seyns begreifen. Die Abgriindigkeit<br />
dieses Denkens liiBt aber auch die sogenannte Strenge des logischen<br />
Scharfsinnes (als Form der Wahrheitsfindung, nicht nur<br />
des Ausdrucks des Gefundenen) als eine ihrer selbst nicht miichtige<br />
Spielerei erscheinen, die ja dann auch in die <strong>Philosophie</strong>gelehrsamkeit<br />
ausarten konnte, in der jedermann mit irgendeinem<br />
Scharfsinn versehen sich umhertreiben kann, ohne jemals<br />
yom Seyn betroffen zu werden und den Sinn der Frage<br />
nach dem Seyn zu ahnen.<br />
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