13.07.2015 Aufrufe

Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

113Stimmen und Sprachen verläuft innerhalb eines syntaktischen Ganzen, oftinnerhalb eines einfachen Satzes, oft gehört sogar ein und dasselbe Wortgleichzeitig zwei Sprachen und zwei Horizonten an, die <strong>sich</strong> in einer hybridenKonstruktion kreuzen und sie hat folglich einen doppelten in der Rededifferenzierten Sinn und zwei Akzente [...].“ (ebd., S. 195)Jede zusätzliche Stimme ist dabei, so Bachtin, vor einem bestimmten "sozioideologischenHorizont[e]" (ebd., S. 201) zu betrachten, der seinerseits eine jeweilsspezifische Bedeutungsqualität mit <strong>sich</strong> bringt und den Gesamttext damit nuanciert.Entscheidend ist hierbei gewissermaßen das Gesamtbild: Fremde Stimmenhaben keine ihnen immanente Bedeutung, sondern gewinnen ihre (in der Terminologieder Gesprächsforschung lokale) Bedeutung erst im Zusammenspiel mitder ursprünglichen und den gesamten Text durchziehenden ‚Haupt’stimme (vgl.ebd., S. 202ff.).Auch wenn Bachtins Konzept der hybriden Konstruktionen ursprünglich vor demdisziplinären Hintergrund der Literaturtheorie entwickelt wurde, so findet <strong>sich</strong> derGrundgedanke der zwei (meistens auf verschiedene Weise kontrastierenden)Stimmen mittlerweile standardmäßig im groben Umfeld derjenigen gesprächsanalytischenUntersuchungen wieder, die <strong>sich</strong> mit Redewiedergabe und Urheberschaftvon Äußerungen beschäftigen. 76 Die an die Ideen Bachtins anschließendenund aus ihnen weiterentwickelten Konzepte unterscheiden <strong>sich</strong> zwar in Bezug aufden zugrundeliegenden analytischen Fokus (während Goffman vor allem auf dieFrage von Urheberschaft an Äußerungen abhebt, konzentriert <strong>sich</strong> die Stilistik aufdie mikroanalytische Rekonstruktion relevanter Stil-Kategorien, durch die dasVorhandensein fremder Stimmen beschrieben werden kann); ihnen gemeinsam istaber ein holistisches Verständnis des Zusammenspiels fremder und nicht-fremderStimmen. Dabei ist die Gesamtbedeutung einer Äußerung sowohl abhängig vonallen an ihr beteiligten Stimmen <strong>als</strong> auch von der Situation der Äußerung: „Prinzipiellkann mit demselben Satz oder Text in verschiedenen Situationen verschiedenerstilistischer Sinn hergestellt werden.“ (Sandig 1986, S. 96). Jede 'Stimmspur'separat zu betrachten, würde die Gesamtäußerung einer wesentlichen Ebeneberauben, ebenso wie ein Ignorieren des Äußerungskontextes <strong>für</strong> die analytischeRekonstruktion des Zusammenspiels mehrerer Stimmen unzulässig wäre.7.1.2 Footing Bei Goffman findet <strong>sich</strong> der Gedanke an unterschiedliche Stimmen vor allem imRahmen des Footing-Konzeptes, welches er in „Forms of talk“ (1981) entwickelt.Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Entwicklung des Konzepts ist die Idee, dass die Aufteilungder Hauptbeteiligungsformen in einem Gespräch in SprecherIn und ZuhörerInunzureichend sei. Goffmans An<strong>sich</strong>t nach werde Sichtkontakt <strong>als</strong> wesentlicherFaktor zur Herstellung eines "participation frameworks" (ebd., S. 137) in dieserstrikten Zweiteilung unterschlagen. Als Konsequenz entwickelt er verschiedene76Die <strong>sich</strong>erlich bekannteste Weiterentwicklung der Idee der Mehrstimmigkeit besteht im vorallem durch Julia Kristeva geprägten Konzept der Intertextualität (vgl. z.B. Kristeva 1972).Einen Überblick <strong>über</strong> die Weiterentwicklung des Konzeptes im Rahmen der französischenPolyphonie-Forschung bieten z.B. Pérennec (o.A.) oder Gévaudan (2008).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!