Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...
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67einen Zipfel davon zu erhaschen". Nur anhand der unterschiedlichen Inhalte von Iund ME ist erkennbar, ob es <strong>sich</strong> beim in der Erinnerung rekonstruierten Persönlichkeitsbestandteilum das ME (immer <strong>als</strong> Objekt in der Erfahrung vorhanden)oder das ehem<strong>als</strong> subjektive, nun ebenfalls <strong>als</strong> Objekt vorliegende I handelt. Mitanderen Worten: Identität ist im Bewusstsein stets <strong>als</strong> Objekt repräsentiert, niem<strong>als</strong><strong>als</strong> Subjekt. Das Wechselspiel zwischen verallgemeinertem Anderen bzw.ME und den individuellen Reaktionen des I macht den reflexiven Charakter derIdentität aus (vgl. Mead 1980b, S. 241f.).Individuum und Gesellschaft befinden <strong>sich</strong> demzufolge nicht nur - wie oben ausgeführt- bei der Konstruktion von intersubjektiv geteilten Bedeutungen und derEntstehung von Identität in einem stetigen Austausch, sondern auch in Bezug aufdie Individualität der Person: Einerseits liefert die Gesellschaft den Individuenpermanent Reize, auf die das I, vom ME kontrolliert und kommentiert, reagiert.Die so entstehenden reflektierten Is bilden ein höchst heterogenes, <strong>sich</strong> mitunterwidersprechendes System, welches in seiner Gesamtheit ein Spiegel der sozialenVerortung einer Person ist: Befreundete Personen erwarten andere Reaktionen aufbestimmte Situationen <strong>als</strong> beispielsweise Eltern, und ArbeitskollegInnen sehen diePerson in einem wieder anderen Licht. Diese ME-Einflüsse sind von Person zuPerson unterschiedlich - Kinder wachsen in verschiedenen Gegenden auf, habenEltern mit jeweils individuellen Haltungen, weisen unterschiedliche Bildungswegeauf usw. 48 49 ; nicht zu vergessen das I <strong>als</strong> unbekannte Größe, das <strong>für</strong> 'frischenWind' bei Haltungen und Reaktionen sorgt. Stellt man <strong>sich</strong> die unterschiedlichenME-Einflüsse und die darauf reagierenden I-Haltungen <strong>als</strong> ein Koordinatensystemvor, so hat jede Person ihre eigene, individuelle Position inne:Identität ist <strong>als</strong>o objektiv <strong>als</strong> Ort in einer bestimmten Welt gegeben, kannaber subjektiv nur zusammen mit dieser Welt erworben werden. (Berger &Luckmann 1969, S. 143) 50Dieser 'soziale Fingerabdruck' ist genau so einzigartig wie ein tatsächlicher Fingerabdruck,und wirkt seinerseits in der Erfahrung Dritter <strong>als</strong> ME-Bestandteil aufdas Handeln anderer Personen ein. Mead (1968, S. 106) fasst zusammen:bzw.:Der Einzelne hat eine Identität nur im Bezug zu den Identitäten anderer Mitgliederseiner gesellschaftlichen Gruppe.[...] die Ich-Identität existiert nur in Beziehung zu anderen solchen Identitäten[...]. 51 (Mead 1980c, S. 311)484950Mead unterscheidet in seiner Theorie der Identitätskonstruktion nicht zwischen primärer undsekundärer Sozialisation bzw. konzentriert <strong>sich</strong> nur auf einen ausgewählten Ausschnitt derprimären Sozialisation, nämlich auf die Interaktion des Kindes mit seinen Spielgefährten /Peers. Einen detaillierten Einblick in die identitätskonstruierenden Prozesse in primärer undsekundärer Sozialisation auf Grundlage von Meads Überlegungen bieten Berger & Luckmann1969, S. 139ff.Vgl. dazu auch Schütz' Überlegungen zur "Generalthese der wechselseitigen Perspektiven"bzw. konkret die Idealisierung der "Kongruenz der Relevanzsysteme" (z.B. Schütz & Luckmann2003, S. 99).Zur konkreten Verortung bzw. Positionierung in der Welt durch Sprache s. Kap. 5.