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Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

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70maßgeblich damit zusammen, dass „die Vergangenheit [...] ein Überfließen derGegenwart [ist]“ (Mead 1980c, S. 341) 52 : In der chronologischen Abfolge der Zeitgehen verschiedene Gegenwarten ineinander <strong>über</strong>; Ereignisse entstehen (mehroder weniger kausal) auseinander. Zu dem Zeitpunkt, an dem in der Gegenwartetwas Vergangenes erzählt wird, wird dieses vergangene Ereignis nicht mehr nurin seinem Zustandekommen betrachtet, sondern eingebettet in den Strom der Ereignisse,die bis zum Zeitpunkt des Erzählens führten. 53 Diese in die Zukunft gerichtetePerspektive war der vergangenen, nunmehr erzählten Version des Selbstallerdings nicht zugänglich, so dass die Wiedergabe des Ereignisses durch ihreVerknüpfung mit der erzählerischen Gegenwart verfälscht wird bzw. beeinflusstist:Die Vergangenheit, die wir aus der Sicht des neuen Problems von heute konstruieren,wird auf Kontinuitäten gestützt, die wir in dem entdecken, was entstandenist, und sie nützt uns so lange, bis die morgen aufkommende Neuheiteine neue Geschichte notwendig macht, welche die Zukunft interpretiert. Alles,was auftaucht, hat Kontinuität, aber erst dann, wenn es tatsächlich auftaucht.(ebd., S. 345)Joas (1985, S. 175) schlussfolgert:Rekonstruktion von Vergangenheit beginnt durch das neue Ereignis. NeueEreignisse konstituieren neue Vergangenheiten. Eine endgültige Rekonstruktionder Vergangenheit wäre nur möglich, wenn keine neuen Ereignisse mehrauftreten könnten, d.h. mit anderen Worten im Zustand der Abgeschlossenheitder Geschichte, im Zustand der Zukunftslosigkeit.Das Individuum <strong>als</strong> ProtagonistIn der eigenen Geschichte ist dabei den gleichenperspektivischen Verzerrungen unterworfen wie andere historische Ereignisse.Die Konstruktion von Biographie erscheint hier ebenfalls <strong>als</strong> symbolischer Akt, indem relevante Ereignisse ausgewählt und entsprechend 'aufbereitet' werden:[wir] organisieren [...] normalerweise unsere Erinnerungen auf der Schnurunserer Identität. (Mead 1968, S. 177)Aus der Außenperspektive erscheint die Person <strong>als</strong> einheitliches Selbst. Dabei istnicht von Bedeutung, ob die Außenperspektive durch eine tatsächliche dritte Personrealisiert wird oder das Individuum den gleichen Effekt durch Selbstobjektivierungerzielt. Der entscheidende Unterschied in der Außenperspektive durchDritte gegen<strong>über</strong> der Außenperspektive durch das Individuum <strong>selbst</strong> besteht darin,dass das Individuum die konkrete Ausgestaltung dieses einheitlichen Eindrucksgezielt beeinflussen kann. Dies geschieht, indem unter Auswahl verschiedener5253Diesen Gedanken formulieren Berger & Luckmann (1969, S. 30) aus: "Meine gesamte Existenzin dieser Welt wird fortwährend durch die Zeit reguliert. Sie ist gleichsam in Zeit verpackt.Mein eigenes Leben ist wie eine Episode in einem regulierten und kanalisierten Stromvon Zeit. Er war da, bevor ich geboren wurde, und wird da sein, wenn ich gestorben bin."Das individuelle Eingebunden-Sein in den intersubjektiv zugänglichen (da mess- und somitobjektivierbaren) Zeitstrom hat Konsequenzen - so kann die Zeit <strong>als</strong> objektive Ressource zurSelbst-Verortung herangezogen werden.Diese zeitliche Reihenfolge ist essenzieller Bestandteil vieler konversationeller Erzählungen,bei denen ein vergangenes Ereignis in seiner chronologischen Abfolge bis zum Moment desErzählens – oder zumindest in die zeitliche Nähe dieses Moments – rekonstruiert wird.

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