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Sprechen über sich selbst als kontrastives Verfahren - Verlag für ...

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47des eigenen Face auch schon dadurch entstehen kann, dass jemand – ab<strong>sich</strong>tlichoder unab<strong>sich</strong>tlich – das Face des Gegen<strong>über</strong>s angreift oder <strong>sich</strong> in Bezug auf dieZugänglichkeit des Gegen<strong>über</strong>s irrt, unterscheidet Goffman zwei Praktiken, mitdenen Face-Work realisiert werden kann: Defensive Praktiken richten <strong>sich</strong> auf dieWahrung des eigene Faces, protektive Praktiken auf die Wahrung fremden Faces.Beide Formen finden <strong>sich</strong> im jeweils <strong>über</strong>geordneten Vermeidungs- bzw. korrektivenProzess wieder. Eine dritte Form von Face-Work, die allerdings nicht in„Techniken der Imagepflege“ erwähnt wird, findet <strong>sich</strong> im bestätigenden Austausch(vgl. dazu Goffman 1974/1982, S. 97ff.).Goffman orientiert <strong>sich</strong> bei der Beschreibung der Face-Work-Techniken am Ritual-BegriffDurkheims (1912), in dessen Rahmen zwischen positiven und negativenRitualen unterschieden wird. Durch beide Ritualformen soll Ehrerbietung gegen<strong>über</strong>einer göttlichen Instanz demonstriert werden, aber durch grundlegend unterschiedliche<strong>Verfahren</strong>: Negative Rituale zeichnen <strong>sich</strong> durch Vermeidungsverhaltenim weitesten Sinn aus (durch Verbote, Verhaltensvorschriften usw.); bei positivenRitualen wird Ehrerbietung erzeugt, indem Opfergaben dargereicht werdeno.ä. Beide Ritualformen zielen darauf ab, die soziale Beziehung zwischen Ausführendenund Empfangenden zu stärken. Solche Rituale gibt es Goffman(1974/1982, S. 97) zufolge allerdings auch im nicht-religiösen Alltag:Ein Ritual ist eine mechanische, konventionalisierte Handlung, durch die einIndividuum seinen Respekt und seine Ehrerbietung <strong>für</strong> ein Objekt von höchstemWert gegen<strong>über</strong> diesem Objekt oder seinem Stellvertreter bezeugt. (Goffman1974/1982, S. 97)Ein solches Objekt ist das individuelle Face. Die mit Face-Work verbundeneninterpersonellen Rituale werden <strong>als</strong> „zentrale Mittel zur Organisation öffentlicherOrdnung“ (ebd., S. 98) beschrieben. Sie sind stets dialogisch organisiert; auch hiergreift wieder das Prinzip des evidenten Charakters sozialen Handelns: Der/dieProduzentIn eines Ritu<strong>als</strong> muss nicht nur deutlich machen, dass er/sie gerade imBegriff ist, ein Ritual zu vollziehen, der/die EmpfängerIn des Ritu<strong>als</strong> muss auchdeutlich machen, dass der rituelle Charakter einer Handlung erkannt und dieHandlungsab<strong>sich</strong>t akzeptiert wird. Dass dies fundamental wichtig <strong>für</strong> das Zustandekommenund den Verlauf von Interaktionen ist, zeigt <strong>sich</strong> an den „rituellenKlammern“ (ebd., S. 111), die in Form von Begrüßungen und Verabschiedungenjede soziale Begegnung einrahmen: Jeder Gruß eröffnet die Möglichkeit, eineInteraktion zu beginnen, da er die potenzielle Zugänglichkeit beider Grüßendensymbolisiert. 25 Indem man <strong>sich</strong> grüßt, verweist man auf einen Zustand des Selbst,der eine nachfolgende Interaktion möglich machen könnte – die Bereitschaft zueiner Interaktion muss allerdings bei beiden Grüßenden vorliegen, denn nur dannkann ein Gruß auch tatsächlich eine soziale Begegnung nach <strong>sich</strong> ziehen. Ähnlichesgilt <strong>für</strong> Verabschiedungen – die soziale Begegnung wird beendet, indem diebis zum Zeitpunkt der Verabschiedung bestehende Zugänglichkeit wieder aufgelöstwird (vgl. ebd., S. 118ff.). Auch hier spielt das Anzeigen von Wechselseitigkeiteine wichtige Rolle, denn nur wenn <strong>sich</strong> alle Beteiligten in wechselseitig er-25Werlen (1984, S. 66) erklärt: "Rituelle Klammern umrahmen Austäusche, indem sie Übergängevon verminderter zu erhöhter Zugänglichkeit darstellen und umgekehrt."

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